Addiopizzo (=Ade, Schutzgeld!; Palermo)

Addiopizzo „Die Erpressung ist die Mutter aller AddiopizzoVerbrechen, weil sie geeignet ist die Herrschaft über ein Territorium, sei es eine Straße, ein Platz, ein ganzes Stadtviertel, zu errichten, zu festigen und auszudehnen. Die Erpressung von Schutzgeld ist Ausdruck der Herrschaft von Cosa Nostra über die Stadt Palermo.“ (Motto der Homepage)

 

Entstehung:Addiopizzo
Die Geschichte von Addiopizzo beginnt 2004. Eine Studentengruppe trifft sich, um über Zukunftspläne für die Zeit nach dem Universitätsabschluss zu sprechen. Man plant, gemeinsam einen Pub in Palermo zu eröffnen, aber die Befürchtung, jemand könnte kommen und Schutzgeld verlangen, ist ziemlich groß. So entsteht die Idee, einen Verein zu gründen, in dem sich alle diejenigen organisieren können, die kein Schutzgeld mehr an die Mafia bezahlen wollen. Eines Morgens 2004 ist die ganze Innenstadt von Palermo mit schwarz umrandeten Aufklebern tapeziert, die an eine Todesanzeige erinnern: „Ein ganzes Volk, das Schutzgeld bezahlt, ist ein Volk ohne Würde“. Mit dieser Aktion ist in Palermo erst einmal das Tabu um die Schutzgelderpressung durch die Mafia gebrochen. Medien, Politik, Bürger, das Ausland interessieren sich sofort für den neu gegründeten Antimafia-Verein.

Aktivitäten:
1. Organisation des Netzwerks von Leuten, die kein Schutzgeld mehr bezahlen wollen.

Videoclip von Addiopizzo gegen Schutzgelderpressung: „Jagd aufs Schutzgeld“

  „Ein ganzes Volk, das gegen Schutzgelderpressung rebelliert, ist frei.“

Wer in Läden kauft, die erklärter Maßen kein Schutzgeld bezahlen (es existieren entsprechende Aufkleber, die die Geschäfte am Eingang anbringen), weiß, dass er nicht ungewollt an die Mafia bezahlt. Seit mehreren Jahren gibt es einen Stadtplan von Palermo für Touristen, in italienisch, deutsch und englisch, in dem die zu Addiopizzo gehörenden Geschäfte extra ausgewiesen sind:

2. Schutz für Personen,
die von der Mafia erpresst werden: Vereinsmitglieder, aber auch Anwälte stehen solchen Personen zur Seite, unterstützen sie, wenn die Erpressung bei der Polizei angezeigt wird oder wenn die Sache in einem Prozess verhandelt wird.

3. Addiopizzo-Travel:
Diese Sektion organisiert “pizzo-free-Reisen” in Sizilien: Es werden unterschiedliche Programme für die verschiedensten Personengruppen angeboten. Wesentlich ist dabei, dass Strukturen (Restaurants, Pensionen usw.) unterstützt werden, die kein Schutzgeld bezahlen. Außerdem wird die Mischung zwischen Antimafia-Programmpunkten und rein kulturellen Besichtigungen an die Wünsche der Gruppe individuell angepasst. Beispiel Stadtführung Palermo durch Addiopizzo:

4. Organisation von Festen und öffentlichen Veranstaltungen zur Information und Sensibilisierung der Bürger

Organisation von FestenFest von Addiopizzo in Piazza Magione 30.9. bis 2.10 2016 – mit reichem Kulturprogramm:

 

 

5. Arbeit mit den Schulen – italienweit:
Hauptthema sind die Vereinsaktivitäten und deren Erfolge, aber man spricht auch über einzelne Aspekte mafiöser Mentalität.

Dario Riccobono (Addiopizzo Travel) erzählt z.B., dass Eltern von Schülern bei Addiopizzo vorstellig werden und zitiert einen Vater: „Mein siebenjähriger Sohn kommt (nach einer Stunde mit einem Addiopizzo-Aktivisten) nach Hause und fragt mich, ob ich auch Steuern hinterziehe. Seinem Blick konnte ich nicht standhalten und ich habe es zugegeben. Mein Sohn hielt mir darauf eine Lektion über den Sinn von Steuern, eben das, was er in der Schule erfahren hatte. Jetzt habe ich entschieden, bei Euch mitzumachen und mich zu engagieren.“

Mit älteren Schülerinnen und Schülern werden auch andere Begriffe thematisiert, deren Sinn durch die Mafia entstellt worden ist (z.B. Ehre, Respekt, Familie, Treue, Gehorsam, Stärke u.a.), man stellt die Rechte vor, die man als Bürger hat, weshalb man eigentlich auf die von der Mafia angebotenen „Gefälligkeiten“ verzichten kann, man diskutiert, was jeder einzelne tun kann, um der Mafia Boden zu entziehen.

Reiseführer
Inzwischen bietet Addiopizzo auch
Materialien für den Unterricht und
einen speziellen Sizilien-Reiseführer an:

 

 

 

6. Die Addiopizzo-Card:
Die in Addiopizzo organisierten Geschäfte führen für jeden bei ihnen getätigten Einkauf mit der Addiopizzo-Card eine kleine Summe auf ein Extrakonto ab. Mit den so gesammelten Geldern – 2016 waren es über 20 000 € – wird ein Projekt zur Wiedergewinnung öffentlichen Raumes* finanziert. 2016 war dies Piazza Magione, wo mit einem dreitägigen Fest der neue Kinderspielplatz eingeweiht wurde (s. Foto Punkt 4.)

* Mafia heißt nicht nur Streben nach mehr Macht, Streben nach Gewinnen, egal wie, Mafia heißt auch Kontrolle des Territoriums. Die Kontrolle durch die Mafia hat zum Verfall vieler öffentlicher Räume geführt. Deswegen widmen sich viele Antimafia-Projekte der Wiedergewinnung öffentlichen Raumes, sei es eine verfallene Kirche, ein öffentlicher Park, der von Drogenhändlern und – konsumenten beherrscht wird. Dies ist z.B. auch Ziel der Schulprojekte in Palermo seit 2001: „Die Schule adoptiert eine Sehenswürdigkeit von Palermo.“ Die Lehrer erarbeiteten mit Schülern die Kenntnisse über die Sehenswürdigkeit, und während zweier Wochen im Mai waren Schülergruppen vom Unterricht befreit, um den Touristen in Kirchen, Plätzen, Parks ihre Führungen anzubieten.

(Alle Fotos sind der Homepage von Addiopizzo entnommen)