Quarantäne für Steueroasen

Der Bericht «Die Schattenwirtschaft beseitigen» Overcoming the Shadow Ec, der in Brüssel veröffentlicht wurde, hat nur 25 Seiten und enthält lediglich zwölf Empfehlungen – doch würden sie alle umgesetzt, die internationale Finanzindustrie stünde von einem Tag auf den anderen auf dem Kopf. Bislang versteckte Geldflüsse in Milliardenhöhe lägen auf einmal offen.

Lehren aus den Panama Papers. Nobelpreisträger Stiglitz und Pieth fordern Quarantäne für Steueroasen. Die bisherigen, insbesondere im OECD*-Rahmen vorangetriebenen Reformen im Steuerbereich reichen bei weitem nicht aus. Dies zumindest meinen zwei Studien – und fügen teilweise radikale Forderungen an.

Die Veröffentlichungen der Panama Papers im April dieses Jahres zeigten unter anderem die geheimen Offshoregeschäfte von über zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs und ihrer Entourage, von Autokraten und Sanktionierten, von Drogendealern bis hin zu gewöhnlichen Schurken. Panamas Präsident rief darauf ein hochkarätiges Expertengremium zusammen, um Vorschläge zu erarbeiten, wie Panama seinen Finanzplatz sauber halten kann.

Doch letzten August schieden die beiden renommiertesten Teilnehmer des Gremiums aus dem Komitee aus: Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und der Basler Strafrechtsprofessor und Fifa-Experte Mark Pieth. Als sie hörten, dass Panama ihren Bericht unter dem Deckel halten will, verliessen sie die Gruppe unter Protest. Heute nun veröffentlichen sie ihren eigenen Bericht.

Ihr Fazit: «Die Panama Papers haben der Welt die Beweise geliefert, dass die Offshore-Finanzplätze für die schändlichsten Vorgänge benutzt werden, von Steuerhinterziehung über Korruption bis hin zu Kinderpornografie.» Die Experten kommen nach ihren Untersuchungen zum Schluss, diese Orte seien so gefährlich wie der Träger einer ansteckenden Krankheit – und sollten deshalb in Quarantäne gesetzt werden. «Sie sollten abgeschnitten werden vom globalen Finanz- und Wirtschaftssystem», ansonsten würden sie weitere Finanzplätze anstecken. Um grossen Schaden abzuwenden, helfe nur mehr Transparenz. Von den Steueroasen fordern Stiglitz und Pieth deshalb:

Die bislang geheimen Besitzer von Offshorefirmen sollen in öffentlichen Registern genannt werden. Niemand soll seine Villen, Jachten, Privatjets oder lukrativen Beteiligungen mehr hinter anonymen Firmen in der Karibik verstecken können. Weder vor dem Steueramt noch vor der Bevölkerung. Dasselbe soll für Trusts, Stiftungen und andere Vehikel gelten.

Offshorefirmen sollen deklarieren, wo sie wirtschaftlich tätig sind, wo ihre Angestellten arbeiten, welche Vermögen sie halten und vor allem: Wo sie wie viel Steuern zahlen. Die Steuererklärungen dieser Firmen sollen öffentlich gemacht werden.

Die Besitzer sollen erklären, wie sie zu den Vermögen kamen, die in ihren Offshorefirmen stecken. Dies soll insbesondere verhindern, dass Geld kriminellen Ursprungs in Scheinfirmen fliesst, die danach für ihre Eigentümer verdeckt Luxusimmobilien kaufen. Wie der «Guardian» enthüllte, halten alleine in Grossbritannien 30’000 Offshorefirmen Immobilien im Wert von 170 Milliarden Pfund.

Stiglitz und Pieth stellen auch Forderungen, die direkt die Schweiz betreffen. Die Panama Papers haben gezeigt, dass Schweizer Anwälte und Treuhänder massenweise Offshorefirmen für heikle Deals und noch heiklere Kunden errichteten oder betreuen. Zum Beispiel für das direkte Umfeld von Wladimir Putin oder politisch exponierte Personen aus Ländern wie Georgien und China. Die meisten nutzten dafür ein Schlupfloch, das es ihnen erlaubt, die Firmen zu steuern, ohne systematisch nachfragen zu müssen, wer dahintersteckt und woher das verschobene Vermögen kommt.

Man müsse die ganze Industrie angehen, schreiben nun Stiglitz und Pieth, «inklusive der Anwälte und Treuhänder, die eine entscheidende Rolle spielten beim Knüpfen der komplexen Firmengeflechte». Sie dürften sich künftig insbesondere nicht mehr hinter dem Anwaltsgeheimnis verstecken, wenn sie Offshorefirmen gründeten.

Kampf mit ungleichen Spiessen
Um zu verdeutlichen, wie viel auf dem Spiel steht, verweisen die Autoren auf den Brexit, den US-Wahlkampf und den Sieg von Trump. «Gerade Populisten wie Donald Trump oder die Befürworter des Brexit leben von der Angst und der Frustration jener Schichten, die von der Globalisierung überfahren werden», sagt Pieth. Und das Gebaren der Steueroasen sehen die Experten eindeutig als eine der grossen Schattenseiten der Globalisierung.

Diese Finanzplätze zementierten ein «inakzeptables Mass an globaler Ungleichheit», schreiben die beiden. Dank ihnen könnten die Superreichen, aber auch Kriminelle unbemerkt Gelder in Sicherheit bringen, ohne Steuern zu bezahlen wie alle anderen. «Die Menschen bemerken das», sagt Pieth. «Wenn wir unseren Bürgern nicht zeigen können, dass die Globalisierung zum Nutzen der Allgemeinheit unter Kontrolle gehalten werden kann, dann kommt die Retourkutsche, wie in den USA und Grossbritannien.» Der erste Schritt, um die Kontrolle zurückzugewinnen, so der Bericht, bestehe darin, die Schattenwirtschaft in den Offshore-Finanzplätzen «ein für allemal» stillzulegen.

Doch auch die beiden Experten machen sich wenig Illusionen, dass ihre Forderungen tatsächlich umgesetzt werden. «Die Transparenz hätte wohl einen enormen Nutzen für die Allgemeinheit, doch dafür gibt es keine Lobby», schreiben Stiglitz und Pieth. Hier werde eben mit ungleichen Spiessen gerungen. Jene, die für eine lasche Kontrolle kämpfen, hätten dafür sehr viele Ressourcen. Tages-Anzeiger
Studie: Answers to written questions to Joseph Stiglitz

Finanz-MafiaArtikelserie: Frauen und Kinder leiden unter Korruption
* Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.