Bankenskandal erschüttert die Moldau

Massenproteste gegen die Regierung: Eine Bürgerinitiative mobilisiert in der Republik Moldau immer stärker gegen die weitverbreitete Korruption. Im Zuge eines Bankenskandals gingen nun Zehntausende auf die Strasse.

Paul Flückiger berichtet: Ein Bankenskandal sorgt in der Moldau für die grössten Bürgerproteste seit der «Twitter-Revolution» von 2009 gegen die Kommunistische Partei (KP). Bis zu 50 000 Personen marschierten alleine am Sonntag in der Hauptstadt Chisinau auf der zentralen Einkaufsmeile Stefan-Cel-Mare und forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung. «Weg mit der Mafia» und «Nieder mit der Korruption», hiess es auf Transparenten. Die Forderungen richten sich in erster Linie gegen das seit 2009 regierende proeuropäische Parteienbündnis.

Verschwundene Milliarde
Zur Demonstration hatte die junge Bürgerinitiative «Würde und Wahrheit» aufgerufen, die seit April mit Protesten gegen die grassierende Korruption auf sich aufmerksam macht. Auftrieb hat ihr der bisher grösste Bankenskandal des verarmten Landes zwischen Rumänien und der Ukraine gebracht. So ist ans Licht gekommen, dass wenige Tage vor den Parlamentswahlen 2014 aus drei grossen Geschäftsbanken umgerechnet fast eine Milliarde Franken abgezweigt worden waren. Um einen Zusammenbruch des Bankensektors zu verhindern, pumpte die Nationalbank rund 850 Millionen Franken in die drei Geldinstitute. Dennoch verloren viele Kleinsparer den Zugang zu ihren Ersparnissen. Der Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission wurde von der Regierung bisher ebenso geheim gehalten wie derjenige einer amerikanischen Wirtschaftsprüfungsfirma.

Drohung mit neuen Protesten
Die Berichte würden veröffentlicht, wenn die Zeit dafür reif sei, wiederholt Ministerpräsident Chiril Gaburici seit Wochen. Der junge Geschäftsmann steht seit Februar einer Minderheitsregierung vor, die auf die Unterstützung der KP angewiesen ist. Nach über zehnwöchigen Verhandlungen war damals die Koalition der prowestlichen Wahlsieger – der Allianz für Europäische Integration (AEI) – auseinandergebrochen. Die bis dahin an der Regierung beteiligte Liberale Partei verliess das Bündnis. Die Protestwelle ist die erste grosse Bewährungsprobe für den politisch unerfahrenen Gaburici.

Der Bankenskandal sei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, erklärte der Mitbegründer von Würde und Wahrheit, der Politologe Igor Botan in einem Interview. Viele Moldauer hätten begriffen, dass sich hinter der AEI Politiker versteckten, die das Land genauso ausraubten wie zuvor die Kommunisten. Laut Botan will Würde und Wahrheit sich nun zuerst als politisch unabhängige NGO registrieren lassen und erst dann wieder auf die Strasse gehen. Damit soll verhindert werden, dass sich die prorussische Opposition die Proteste zu eigen macht. Angeheizt vom bekannten Journalisten Vasile Nastase forderten die Demonstranten am Sonntag jedoch einen sofortigen Rücktritt von Regierung und Parlament und drohten mit radikalen Protestaktionen, Steuerstreiks und Arbeitsniederlegungen.
Moldau

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.