Erstes Italo-Argentinisches Antimafia-Seminar in Buenos Aire

Der argentinische Präsident Mauricio Macri
eröffnet das Antimafia-Seminar in Buenos Aires

Vom 25. Bis 27. März 2019 fand im argentinischen Parlament von Buenos Aires der erste Antimafia-Kongress statt, zu dem zahlreiche italienische Experten vor allem aus der Justiz geladen waren, darunter der nationale Antimafia-Staatsanwalt Federico Cafiero De Raho und der stellvertretende nationale Antimafia-Staatsanwalt Antonino Di Matteo. Für die Berichterstattung waren anwesend der Direktor von Antimafia Duemila, Giorgio Bongiovanni, und der Journalist (ebenfalls von Antimafia Duemila) Jean Georges Almendras (1)

In seiner Eröffnungsrede betonte der argentinische Staatspräsident Mauricio Macri, dass das argentinische Volk und die Regierung beschlossen hätten, Ernst zu machen mit dem Kampf gegen die Mafien und dass „Schluss sein muss mit Lügen, Korruption und Mafia.“ Dieses Antimafia-Seminar sei Ausdruck dieser Absichten.

Auf dem Programm standen mehrere Einzelthemen, zu denen die Vorträge der italienischen Experten einen Beitrag leisten sollten. Hier nur einige Blitzlichter:

Nino Di Matteo beschreibt die besondere Macht der Cosa Nostra

Cosa Nostra sei seiner Meinung nach die mächtigste Mafia, die wie keine andere zahlreiche Vertreter der italienischen Institutionen umgebracht hat: Bei den Beispielen beschränkt er sich auf die getöteten Antimafiarichter Falcone, Borsellino, Scaglione, Costa, Chinnici, Saetta und Livatino. In ihrer 150-jährigen Geschichte habe sich die Cosa Nostra vor allem durch ihre Fähigkeit, Beziehungen zur Politik aufzubauen, hervorgetan. Hier verweist er auf die Prozesse Andreotti und Marcello Dell’Utri und erwähnt, dass in jüngerer Zeit auch zwei sizilianische Ministerpräsidenten unter den Verurteilten seien. Salvatore Riina werde von mehreren Kronzeugen so zitiert: „Riina sagte immer, wenn wir die Beziehung zur Politik nicht gehabt hätten, wären wir lediglich eine Bande von Schakalen und der Staat hätte uns mit einer normalen Polizeioperation geradezu zerquetscht.“ Dies zeige, wie zentral diese Beziehungen für die Mafia seien. Die Vertreter der Institutionen müssten endlich begreifen, dass es nicht genug sei, begangene Verbrechen zu bestrafen, sondern man müsse jede Möglichkeit unterbinden, Beziehungen zur Politik und den Institutionen aufzubauen. Die Lage in seinem Land habe allerdings dazu geführt, dass Italien eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Mafia spiele, was die entsprechende Gesetzgebung und die höchstentwickelte Professionalität von Justiz und Polizei angehe.

Mit Blick auf die starke Verbindung Politik-Cosa Nostra erklärt Di Matteo später auch Giovanni Falcones Idee, den Tatbestand „Beihilfe“ auch bei Mafia-Verbrechen einzuführen (der sog. concorso esterno in associazione mafiosa). Der erste, der mit dem Vorwurf der Beihilfe in Palermo angeklagt wurde, war Vito Ciancimino, ein ehemaliger Bürgermeister von Palermo, der über lange Jahre hin bis zu den Attentaten von 1992 (gegen Giovanni Falcone und Paolo Borsellino) die Hauptverbindung zwischen dem Corleoneser Zweig der Cosa Nostra und wichtigen Vertretern der Politik – innerhalb und außerhalb Siziliens – darstellte. Nach und nach sei die Tragfähigkeit der Anklage der Beihilfe auch bei Mafia-Prozessen von anderen Gerichten bis zum höchsten Gericht, der sog. Cassazione, anerkannt worden. In einem Urteil aus dem Jahre 2003 definiert das Kassationsgericht den „Partner von außerhalb“ so: Jemand, der „auch wenn er nicht Mitglied der Organisation sein wollte, einen konkreten, spezifischen Beitrag von gelegentlicher oder andauernder Art leistet, der effektiv zu Bewahrung und Stärkung der Organisation beiträgt – auch im Falle, dass es nur ein Zweig der gesamten Organisation ist.“ (1)

Die Reden der argentinischen Politiker: in erster Linie Regierungs-Propaganda

Die Ministerin für Sicherheit, Patricia Bullrich, lobt, so berichtet der Journalist Almendras, die Erfolge ihres Ministeriums im Kampf gegen die Drogenbosse, leugnet aber die Anwesenheit der `ndrangheta in Argentinien: „In den letzten drei Jahren ist kein einziger Fall von Drogenhandel zwischen argentinischen und europäischen Häfen entdeckt worden!“ Und sie fährt fort: „Wir werden ihnen nicht erlauben, sich in Argentinien festzusetzen.“

Auf die Beiträge von Laura Alonso, Direktorin des Antikorruptionsbüros geht Almendras ausführlich ein, da ihre Rede nichts anderes als schamloser Wahlkampf gewesen sei, was bei den italienischen Gästen zu sichtbarer Irritation geführt habe. Als der Moderator im Anschluss an ihre Rede das Publikum auffordert, Fragen zu stellen und Giorgio Bongiovanni nach den Maßnahmen der Regierung und besonders des Innenministeriums fragt, die den enormen Kokain-Handel zwischen italienischer Mafia und den argentinischen Narcos unterbinden könnten, lehnt Alonso es zuerst ab, die Frage überhaupt zu beantworten, da sie nicht in ihre Kompetenz falle. Als der Fragensteller sich damit aber nicht zufrieden gibt, hält sie eine minutenlangen Lobeshymne auf die unglaublichen Erfolge des Sicherheitsministeriums, bis die vorgesehene Zeit für Fragen verstrichen ist. Wie ein solches Verhalten einzuschätzen ist, das ist für Almendras offensichtlich: Ihre Beiträge seien reine Regierungs-Propaganda gewesen und völlig unpassend für ein internationales Antimafia-Seminar. In ihrer Rede habe sie ein Problem von enormen Dimensionen verfälscht, kleingeredet und damit die italienischen Gäste in Verlegenheit gebracht.

Resumée:

Zum Abschluss der Tagung fragen die Vertreter von Antimafia Duemila den Staatsanwalt Di Matteo nach seiner Einschätzung. Der äußert sich einerseits zufrieden, dass Erfahrungen und Wissen ausgetauscht wurden. Andererseits verlange ein ernsthafter Kampf gegen Korruption und Mafia die Unabhängigkeit von Staatsanwälten und Richtern, die in Argentinien und anderen latein-amerikanischen Ländern von der Politik und/oder vom Staatspräsidenten nominiert werden. In welcher Lage befinde sich also ein Staatsanwalt, der gegen einen Politiker ermitteln muss, dem er seinen Posten verdankt?

Nach der Bedeutung des Journalismus für den Kampf gegen die Mafia gefragt, sagt Di Matteo: „Mafia und kriminelle Systeme müssen erzählt, müssen erklärt werden. Die Arbeit der Journalisten ist entscheidend – vor allem, wenn der Journalismus selbstständig ermittelt und sich nicht darauf beschränkt, die Ergebnisse von Polizei-Operationen oder Prozessen zu zitieren. Sie ist entscheidend, wenn der Journalist in der Lage ist, selber Wahrheiten herauszufinden, die noch nicht in Prozessakten festgeschrieben sind. Ernsthafter, mutiger, investigativer Journalismus ist ungeheuer wichtig im Kampf gegen mafiöse und korrupte Systeme, wenn er, wie die Staatsanwaltschaft, frei und unabhängig ist.“

Zuletzt stellt der argentinische Parlamentsabgeordnete Ferdinando Alfonso Iglesias die argentinische „Kampagne für die Schaffung eines Strafgerichtshofes für Lateinamerika und die Karibik gegen die transnationale OK“ vor (COPLA). Und die Organisatoren kündigen eine Folgeveranstaltung für 2020 an.

  1. Andere italienische Zeitungen bringen nichts über diesen Kongress
  2. Diese Erklärung des Staatsanwalts scheint mir wichtig, da in Italien vereinzelt, aber vor allem auf europäischer Ebene manchmal behauptet wird, ein solcher Straftatbestand existiere nicht, sei bloße Erfindung der Italiener.

Ambbuenosaires.esteri.it

I’m considering a career in organized crime