Italien: Staatsgeheimnisse und die Pflicht der Journalisten, die Öffentlichkeit zu informieren

Salvo Palazzolo, bekannter Journalist der Repubblica, ruft seine Kollegen auf, eine Internet-Plattform zu gründen, die die Staatsgeheimnisse ins Visier nehmen soll.

Die Vorgeschichte:

Am 13. September hat die Staatsanwaltschaft Catania die Durchsuchung der Wohnung des Journalisten angeordnet und ein Smartphone, ein Tablet und drei Speichermedien beschlagnahmt. Die Begründung: Palazzolo habe geheime Informationen weitergegeben, als er im März 2018 auf der Homepage von Repubblica die Nachricht veröffentlichte, dass die Ermittlungen gegen die Polizeibeamten, die für die größte Prozess-Manipulation in der Justiz-Geschichte Italiens verantwortlich sein sollen, abgeschlossen seien.

Dabei geht es um die Konstruktion eines falschen Kronzeugen, Vincenzo Scarantino, der von drei Polizeibeamten gezwungen worden ist (1), sich selbst und andere unbeteiligte Personen zu beschuldigen, das Attentat auf den Antimafiarichter Paolo Borsellino im Juli 1992 organisiert und durchgeführt zu haben. Mit teils richtigen, teils lückenhaften oder falschen Aussagen hat Scarantino, der in der Hierarchie von Cosa Nostra nur eine kleine Nebenrolle spielt, die Ermittlungen in eine völlig falsche Richtung gelenkt, so dass er selber und mehrere Unschuldige ins Gefängnis wanderten. Inzwischen, nach einem Revisionsprozess, sind diese wieder frei.

Eine wichtige Rolle spielt die Tatsache, dass diesen Sommer die Urteilsbegründungen in zwei spektakulären Prozessen veröffentlicht worden sind: Das Urteil im Prozess „Borsellino Nummer Vier“, das bestätigt, dass die Ermittlungen „von außerhalb der Mafia“ massiv manipuliert waren, und das Urteil des Prozesses zur „Trattativa“, der sich mit den damaligen Verhandlungen zwischen Bossen der Cosa Nostra und Vertretern des italienischen Staates beschäftigte. Deshalb ist die große Nervosität in Politik und Staat und in den ihnen nahe stehenden Printmedien verständlich.

Kritiker gehen davon aus, dass mit dem Vorgehen der Justiz gegen Palazzolo die Autoren der Manipulation gedeckt und Journalisten zum Schweigen gebracht werden sollen. Claudio Fava z.B., Präsident der regionalen Antimafia-Kommission Sizilien, fragt sich bei der Anhörung Palazzolos am 18. September, weshalb bei einem Journalisten, der nur seine Arbeit getan und die Öffentlichkeit informiert hat – und seiner Meinung nach keinen Geheimnisverrat begangen hat -, eine Hausdurchsuchung vorgenommen wird, bei dem ihm Arbeitsmaterialien und Archiv beschlagnahmt werden, während die drei Polizeibeamten, die verdeckt für den Geheimdienst gearbeitet haben sollen, bisher von einer solchen Maßnahme verschont geblieben sind. Palazzolo hat bei dieser Anhörung der Kommission eine Liste mit bisher unbeantworteten Fragen zu den Attentaten und zu den „Geheimnissen von Palermo“ vorgelegt, die von einer Gruppe sizilianischer Journalisten ausgearbeitet worden ist.

Am 20. September nun fand in Caltanissetta die Vorverhandlung des Prozesses gegen die Polizeibeamten statt. Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich u.a Vertreter der Journalistengewerkschaft und andere Sympathisanten des Journalisten zu einem sit-in versammelt, um gegen die Gängelung der Presse zu demonstrieren.

Palazzolo selber hat sich folgendermaßen zu Wort gemeldet: „Die sizilianischen Journalisten gehen vor Staatsgeheimnissen nicht in die Knie!“.

Und er ruft die an der Wahrheit interessierten italienischen Journalisten auf, mit ihm eine Internet-Plattform zu gründen, die endlich die zahlreichen Staatsgeheimnisse ins Visier nehmen und zur Aufklärung der vielen Rätsel beitragen soll. Und er fügt abschließend hinzu: „Auf diese Weise wird es sehr schwer werden, gegen all diese Leute vorzugehen, die die Wahrheit wissen wollen über die Attentate, in die der Staat verwickelt ist!“….Antimafiaduemila.com

  • Feststellung im Urteil zum Prozess „Borsellino Nummer Vier“

Di Pasquale Narciso