Kalabrien dehnt sich aus bis nach Stuttgart, Frankfurt, Offenbach und Berlin

Welche Rolle spielt dabei Mario L.?

2018 hat es in Deutschland zwei Großrazzien gegen italienische Mafien gegeben: die Operationen „Stige“ im Januar und „Pollino“ im Dezember Die italienischen Staatsanwälte haben inzwischen offensichtlich die Ergebnisse ihrer Ermittlungen veröffentlicht. Am 7.1.2019 erscheint dazu der folgende Artikel von Francesca Panfili auf der Homepage von Antimafiaduemila: Da im deutschsprachigen Internet dazu nichts zu finden ist, hier die Übersetzung des italienischen Artikels:

Wie die `Ndrangheta Fuß gefasst hat in Deutschland

Ermittlungen enthüllen die Macht der kalabrischen Organisierten Kriminalität

Es gibt einen roten Faden, der Deutschland mit Kalabrien verbindet und leider handelt es sich dabei oft um die massive Präsenz der `Ndrangheta in Deutschland. Dabei sieht man, wie die italienischen Mafien jedes Jahr Millionen von Euro jenseits der Alpen investieren, was nicht nur den Schätzungen des deutschen Justizministeriums entspricht, sondern auch von den jüngsten Ermittlungen bestätigt wird, die die Bezirksstaatsanwälte von Catanzaro und Reggio Calabria zur Rolle der italienischen Mafien in Deutschland angestellt haben.

In einem Artikel der Gazzetta del Sud hat der Journalist Arcangelo Badolati (1) betont, dass aus diesen Ermittlungen klar hervorgeht, dass die italienischen Mafia-Clans sich nach dem blutigen Attentat von Duisburg am 1. August 2007 neu aufgestellt haben und sich dabei wieder der gleichen Strategie eines kapillaren Eindringens in deutsches Territorium bedient haben. Dies geschieht durch Geldwäsche und die Erfassung von Einzelhandelsgeschäften, die von Familien der Clans geführt werden – Restaurants, Bars, Eisdielen und Pizzerien – und die von den riesigen Gewinnen aus dem Drogenhandel finanziert werden. Die letzte Razzia, die von der nationalen Antimafia-Direktion koordiniert wurde, hat zur Festnahme von ca. 10 Angehörigen kalabrischer Clans geführt, die im Bereich des Berliner Bundestags und auf internationaler Ebene aktiv waren. In seinem Artikel erinnert Badolati daran, dass schon die beiden Staatsanwälte Giovanni Bombardieri und Giuseppe Lombardo vergangenen Dezember von den Geschäften der italienischen Mafien auf deutschem Boden gesprochen und Folgendes erklärt hatten: „Es wurden im Ausland die Unternehmen identifiziert, die von verschiedenen Mitgliedern etablierter `ndrangheta-Familien gegründet worden sind und die vor allem im Herzen der Locride operieren: internationaler Drogenhandel, Geldwäsche, Reinvestition beträchtlicher Finanzströme vor allem in den kommerziellen Bereich und in die Gastronomie. Dabei können sie auf Logistik-Zentren zählen, die nicht nur in Kalabrien, sondern auch in anderen italienischen Regionen, in Holland und Deutschland ihren Sitz haben und die jeweils mit einer richtigen Fahrzeugflotte ausgestattet sind, um das Kokain nur ja an sein Ziel zu bringen.“

Das gleiche Szenario ergaben auch die Ermittlungen der beiden Staatsanwälte Nicola Gratteri und Vincenzo Luberto, die die Rolle der Clans aus Cirò und der ionischen Ebene von Cosenza untersuchten und wissen wollten, welche Verbindungen zu Deutschland bestehen. Die Operation von Staatsanwaltschaft und Polizei ergab, dass es ein enges Netz von wirtschaftlichen Verbindungen gibt, das diesen Teil Italiens mit Deutschland verbindet – und dies erfolgte durch die Vermittlung eines Herrn mit Namen Mario L., bekannt durch seine Beziehung zum mächtigen Clan der Farao-Marincola aus Cirò. Gegen L. war schon in den 90er Jahren ermittelt worden, aber dann wurde er freigesprochen (2). Von seiner Rolle sprachen auch mehrere Kronzeugen wie der Sizilianer Gioacchino Sghembri und Domenico Critelli, der inzwischen verstorbene Boss von Cariati, bekannt unter dem Spitznamen Saragat.

Diesmal soll Mario L. die Ausdehnung des Handels und den Export von Produkten der `ndrangheta-Familien auf deutschem Boden gefördert haben und den Erwerb dieser Produkte den italienischen Restaurants und Pizzerien aufgezwungen haben. (3) Zu diesem Zweck habe er sich eines von ihm inspirierten Vereins bedient, der als A.r.m.i.g bekannt ist, der die verschiedenen gastronomischen Betriebe zwischen Frankfurt, Offenbach und Baden-Württemberg erfasst. Die Staatsanwälte Nicola Gratteri und Vincenzo Luberto sind der Meinung, „Don Mario“ habe diesen Verein dazu benutzt, die Interessen der Clans aus Cirò zu befördern. In abgehörten Telefonaten rühmte er sich, mit diesen Clans befreundet zu sein: „Das ist meine Familie“ sagte L. in den abgehörten Telefonaten, in denen er auch provozierende Äußerungen über Staatsanwälte und Behördenvertreter machte. Mario L. Projekt habe sich nicht nur auf den Verkauf von Lebensmitteln und Weinen von claneigenen Firmen in Cirò beschränkt, sondern er habe seine Aktivitäten auch auf den deutschen Tourismus ausgedehnt – in Städten wie Cariati, Rossano und Mandatoriccio, wo seine „amici“ Hotels und Restaurants besitzen. 2017 gelang es Mario L., den Bürgermeister von Offenbach und Führungskräfte der dortigen Tourismus-Behörde dazu zu bringen, eine Rundreise durch das östliche Kalabrien zu unternehmen, um neue Kooperationen zu vereinbaren und um die deutschen Behördenvertreter davon zu überzeugen, Rundreisen und Ferien in diesen von den Clans Farao und Marincola kontrollierten Orten zu organisieren. Über diese Familien, die schon seit den 90er Jahren in Deutschland ansässig sind, äußerten sich auch mehrere Kronzeugen, darunter Heiko Tschinna, der Giuseppe F. und Cataldo M. als die Bosse der kalabrischen Mafia in Stuttgart bezeichnete, und der ehemalige Killer Giorgio Basile aus Corigliano, der über die deutsche Polizei sagte: „Die Polizei wollte uns nie glauben, aber die Deutschen müssen allmählich begreifen, dass überall dort, wo es eine Pizzeria gibt, die `ndrangheta anwesend ist.“

Anm. (1) Calabria.Gazzettadelsud.it (vom 7.1.19)

Anm. (2) Damals geriet mit Mario L. auch Günther Oettinger in den Focus der Ermittler

Anm. (3) Die „neue“ Form der Schutzgelderpressung besteht darin, Besitzer von Gastronomie-betrieben zu zwingen, ihre Produkte bei mafia-eigenen oder -nahen Firmen zu beziehen

Weitere Informationen siehe auch hier: SWRmediathek.de/ (ab 12.0, vom 10.1.19)

Mafianeindanke.de/Beschlagnahme/

Panorama/Mafia ist in Deutschland angekommen

Anm.:Für die inhaltliche Richtigkeit des Artikels übernehme ich keine Verantwortung.