Ausgeraubtes Tunesien

Der gestürzte Präsident Ben Ali lotste seine Lex Ben Ali
millionenschweren Geschäfte am Fiskus vorbei. Falsche Zollangaben brachten enorme Steuergewinne und Wettbewerbsvorteile.

Der 2010 gestürzte tunesische Diktator Ben Ali und sein Clan haben ihr gewaltiges Vermögen fast zwei Jahrzehnte lang auf Kosten des tunesischen Staates gemacht. Unternehmen, die über familiäre oder freundschaftliche Beziehungen zu Ben Ali oder seiner Frau Leila Trabelsi verfügten, unterschlugen Importzölle in erheblichem Umfang. Ein von der Weltbank vorgestellter Bericht berechnet für die Jahre 2002 bis 2009 einen Verlust für die öffentliche Kasse von mindestens 1,2 Mrd. $.

Schaden in Milliardenhöhe

«Das sind noch konservative Schätzungen», sagt Bob Rijkers, Hauptautor der Studie. Monatelang hat er in Tunis im Nationalen Statistikinstitut, das ihm eher widerwillig die Archive geöffnet hatte, die Exportdaten von 16 internationalen Handelspartnern mit den Importangaben des Zolls für mehr als 1300 Produkte verglichen und dabei beträchtliche Unterschiede festgestellt. Firmen aus dem Umfeld des Diktators haben entweder die Angaben zum Wert der eingeführten Waren, vor allem Autos aus Europa und Elektronik aus China, gefälscht oder dem Zoll gegenüber falsche Stückzahlen angegeben.

«Das war Steuerhinterziehung mit System», erklärt Rijkers. Seine Analyse zeigt, dass die Gruppe der Ben-Ali-nahen Firmen im Unterschied zu anderen, die die gleichen Güter importieren, diese gegenüber dem Zoll zu einem weit tieferen Wert deklarierten. Kam beim Zoll Misstrauen auf, änderte sich die Strategie, oder die Stückzahlen wurden gefälscht. Diese Praxis «ersparte» Ben Ali und seiner Entourage allein im Jahr 2009 umgerechnet 217 Mio. $ Einfuhrsteuer. Mit diesen Berechnungen kann erstmals der finanzielle Schaden, den der gestürzte Präsident Tunesien zugefügt hat, beziffert werden. Die wirtschaftlichen Verzerrungen sind ebenfalls erheblich. Die politisch verbandelte Wirtschaftselite machte unverdient hohe Gewinne und hatte erhebliche Vorteile auf dem Markt. Solche eklatanten Missstände, die Armut und die regionale Ungleichheit waren denn auch die Auslöser der Aufstände im Jahr 2010, deren Folgen Tunesien noch heute zu zerreissen drohen.

Über den Umgang mit der eigenen Vergangenheit besteht bisher allerdings keine Einigkeit. Während die staatliche Kommission für Wahrheit und Würde eine schonungslose Aufarbeitung fordert, ist aus Wirtschaft und Politik immer stärker der Ruf nach einer Aussöhnung zu hören. In diese Diskussion platzte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das Gesetz zur Konfiszierung der Besitztümer von Ben Ali und seinem Clan für ungültig zu erklären. Dieses war aus Angst vor Plünderungen im März 2011, also nur zwei Monate nach der Flucht des Präsidenten, erlassen worden; allerdings hat es das Parlament bisher nicht ratifiziert.

Signal des Rechtsstaates

Die tunesische Regierung hat nun Rekurs eingelegt und hofft auf ein politisches Signal des jungen Rechtsstaates. Knapp 600 Unternehmen von 114 Personen aus dem Umfeld Ben Alis sind bisher beschlagnahmt und teilweise bereits wieder verkauft worden. Bei gut 200 dieser Unternehmen hat der Weltbankbericht nun systematische Steuerhinterziehung nachgewiesen. Diese nahm nach der Revolution zwar ab, ist insgesamt aber wieder am Steigen. Ursache dafür ist vermutlich auch der ausser Kontrolle geratene Schmuggel mit Libyen und Algerien. Das Finanzministerium arbeitet jetzt mit Hochdruck an einer Reform des Zolls, der zu den korruptesten aller tunesischen Institutionen gehört. Zollverfahren sollen vereinfacht und transparenter werden, auch um in Zukunft weniger Gelegenheit für Korruption und Betrug zu bieten.
Political connvidence from Tunisia/ Report
Ben AliFrauen und Kinder leiden überproportional unter Korruption/ Geldwäsche

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