Brauchen wir Leitlinien für gute Richter?

Neue Ethikkommission: Leitlinien für gute Richter
Katharina Fontana berichtet:  Eine Kommission soll berufsethische Grundsätze konkretisieren.

Brauchen Richter Vorgaben, wie sie sich richtig zu verhalten haben? Ja, meint die Richtervereinigung. Sie hat eine Ethikkommission eingesetzt, die Empfehlungen zum untadeligen Verhalten erarbeiten soll.

Das Richteramt ist kein Beruf wie jeder andere. Von Richterinnen und Richtern wird erwartet, dass sie integer, charakterfest und anständig sind, sich sowohl im Beruf wie auch im Privatleben jederzeit untadelig verhalten. Das öffentliche Vertrauen in die Richter und in das Justizwesen ist ganz entscheidend, damit die Urteile akzeptiert werden. Anders als in vielen anderen Ländern, in denen Verhaltenskodizes für Richter bestehen, ist die richterliche Ethik in der Schweiz heute noch kaum ein Thema. Geht es nach der Schweizerischen Vereinigung der Richterinnen und Richter, soll sich das nun ändern. Die Vereinigung, der rund 600 Mitglieder angehören, hat jüngst einstimmig eine Ethikkommission geschaffen mit dem Ziel, «richterethische Grundsätze in der Schweiz transparent zur Diskussion zu stellen».
Konkrete Probleme

Im Juni hat der Vorstand der Vereinigung sieben aktive und ehemalige Richter in die Kommission gewählt. Im September soll sich das Gremium zur ersten Sitzung treffen. Laut Patrick Guidon, Vizepräsident der Richtervereinigung und Richter am Kantonsgericht St. Gallen, ist klar, dass die Kommission keine rein theoretische Wertediskussion führen und keine abstrakte Charta mit Thesen erarbeiten soll. Vielmehr geht es darum, dass sie anhand konkreter Probleme im Berufsalltag Empfehlungen zum ethisch richtigen Verhalten entwickelt, entweder aus eigenem Antrieb oder indem sie von aussen angegangen wird. Diese Empfehlungen sollen publiziert und auch medial verbreitet werden. – Bei der Richtervereinigung will man den möglichen Fragestellungen, mit denen sich die Ethikkommission befassen wird, nicht vorgreifen. Nach konkreten Beispielen für ethisch schwierige Situationen gefragt, mit denen Richter im Alltag konfrontiert sein können, nennt Guidon den Druck seitens der Öffentlichkeit, der Verfahrensparteien oder Dritter.

Heikles Terrain

Sollen die Richter hier reagieren, und wenn ja, in welcher Form? Auch die Frage, inwiefern sich Richterinnen und Richter öffentlich zu laufenden politischen Geschäften äussern sollen und dürfen, gibt immer wieder zu Diskussionen Anlass. Ein weiteres Thema ist die Unparteilichkeit. Gerade in Kantonen, wo Richter, Staatsanwälte, Verteidiger oder Polizeibeamte teilweise seit Jahren zusammenarbeiten, kann es zu persönlichen Bindungen kommen, die nicht unproblematisch sind.

Wie die Schweizer Richterschaft auf die Ethikkommission und deren Tätigkeit reagieren wird, ist offen. Richter nehmen in aller Regel für sich in Anspruch, zu wissen, wie sie sich innerhalb und ausserhalb des Gerichtssaals zu verhalten haben. Insofern betritt die Kommission, wenn sie Verhaltensstandards setzt und sagt, was für einen Richter ethisch geboten oder verboten sein soll, ein heikles Terrain. Kommt hinzu, dass lange nicht alle Richterinnen und Richter der Richtervereinigung beigetreten sind und ein Gutteil womöglich nicht bereit sein wird, den Beschlüssen eines privaten Organs Folge zu leisten. Bei der Richtervereinigung ist man sich bewusst, dass die Ethikkommission in der Richterschaft auf gewisse Vorbehalte stossen dürfte. Doch man hoffe, dass die Empfehlungen im Idealfall aufgrund ihrer inhaltlichen Überzeugungskraft von Mitgliedern wie Nichtmitgliedern beachtet würden, sagt Guidon.
Ethik-Charta

In der Schweiz haben kantonale Gerichte nur ganz vereinzelt Grundsatzpapiere verfasst, die sich mit der richterlichen Berufsethik befassen. Von den eidgenössischen Gerichten kennt das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen eine eigentliche Ethik-Charta, in der die Grundsätze richterlichen Verhaltens – Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Sorgfalt, Kollegialität – in allgemeiner Form festgehalten sind. Auch das Bundesstrafgericht in Bellinzona verfügt über ein Leitbild, das zu Sorgfalt, Respekt und Toleranz verpflichtet. Am Bundesgericht dagegen scheint man von solchen allgemeinen Bekenntnissen nicht viel zu halten. Eine Ethik-Charta sei «an einem höchsten Gericht nicht nötig; die Kenntnis der entsprechenden Regeln und deren Befolgung werden als selbstverständlich vorausgesetzt», heisst es aus Lausanne.
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