Castelvetrano (Sizilien): Wer demonstriert hier eigentlich gegen wen?

Castelvetrano (Sizilien): Wer demonstriert hier eigentlich gegen wen?

Gegen die Kommissare! Ehm… Nein, nein.. Gegen alle, die uns mit Dreck bewerfen! Argh… Nein, Nein… Gegen die Mafia!

 

Am 16. Juni demonstrierten in Castelvetrano (Provinz Trapani, Sizilien) Einzelpersonen und einige lokale Vereine unter dem Motto „Wir sind Bürger von Castelvetrano, aber keine Mafiosi“. Allerdings scheint es sich nicht, wie von den Organisatoren behauptet, um eine Demonstration gegen die Mafia zu handeln, sondern eher um einen Aufstand gegen die vom Staat verordnete kommissarische Verwaltung der Gemeinde wegen Infiltration durch die Mafia.

Vorgeschichte:
Castelvetrano ist der Heimatort des Cosa-Nostra-Bosses Matteo Messina Denaro, der seit 1992 untergetaucht ist. Manchen Staatsanwälten gilt er als aktuelle Nr.1 der Cosa Nostra. Ihn erwarten mehrere Verurteilungen zu lebenslanger Haft, u.a. für die Attentate auf die beiden Antimafiarichter Falcone und Borsellino 1992. Außerdem ist ihm das FBI wegen seiner Aktivitäten im Drogenhandel auf den Fersen. Staatsanwaltschaften und Polizei versuchen seit Jahren, das Umfeld, das ihm Deckung gibt, auszutrocknen.

So wurden im Dezember in Castelvetrano Wohnungen von 30 einschlägig Vorbestraften durchsucht. Und am 5. Juni erfolgten 17 weitere Hausdurchsuchungen, ebenfalls nicht etwa bei unbescholtenen Bürgern, sondern bei Personen, die der Beihilfe verdächtigt werden. Und was machen die unbescholtenen Bürger? Der Journalist Rino Giacalone kommentiert die Vorgänge so: „Statt sich bei der Polizei zu bedanken, beschließen sie gegen die Kommissare zu demonstrieren“, die die Aufgabe haben, die Stadtverwaltung wieder auf Vordermann zu bringen, sie demonstrieren gegen die Stellungnahmen des außerordentlichen Kommissars Caccamo und gegen die des Nationalen Antimafia-Staatsanwalts De Raho, die diese Ende Mai im Staatsfernsehen über die Situation in Castelvetrano abgegeben hatten. Man wird also demonstrieren, „um dagegen zu protestieren, dass man von Vertretern des Staates beleidigt wird“, oder, wie die Organisatoren wissen lassen, „um die Unverschämtheiten, die über unsere Stadt geschrieben und gesagt werden, zum Schweigen zu bringen.“

Etwa 1000 Personen haben nun demonstriert, aber auch jetzt ist nicht klar, gegen wen und gegen was: Mitmarschiert sind Vertreter der Kirche, die das Engagement gegen die Mafia loben.

Ausdrücklich distanziert haben sich die beiden Kommissare und die Gewerkschaft Cgil, die eine Demonstration gegen die Arbeit staatlicher Vertreter für kontraproduktiv hält.

Ausdrücklich distanziert hat sich Claudio Fava, Präsident der Parlamentarischen Antimafia-Kommission, der es für sinnvoller gehalten hätte, wenn man für die Unterstützung der Kommissare auf die Straße gegangen wäre.

Ebenfalls distanziert hat sich die Arbeitskammer aus Castelvetrano: „Zu betonen, dass man kein Mafioso sei, ist ein wichtiges Signal in einem Gebiet, das stark von einem kriminellen und mafiösen System durchsetzt ist, aber man kann nicht gleichzeitig in Abrede stellen, dass es Mafia-Infiltration in Politik und Wirtschaft gibt, die zur Auflösung der Stadtregierung geführt hat.“Messina Denaro und das Blutbad von Capaci 1992

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.