Das Märchen vom Steuerparadies Schweiz

In den letzten zehn Jahren sind manchenorts Steuersätze für Firmen und Private deutlich gefallen. Unternehmenssteuerreform und internationale Entwicklungen verstärken den Druck auf die Schweiz, die keineswegs mehr überall steuerlich attraktiv ist.

Peter A. Fischer berichtet: In der Schweiz hat sich auf das Steuerjahr 2015 hin wenig bewegt, und dennoch ist einiges im Tun. Im Hintergrund wird intensiv um die Ausgestaltung der Reform der Unternehmensbesteuerung gerungen. Diese wird mit der Abschaffung der Sondersteuern für Spezialgesellschaften aller Voraussicht nach den Wettbewerb der ordentlichen Steuersätze verschärfen. Bis dahin scheinen sich aber die Kantone möglichst wenig regen zu wollen. Gleichzeitig ist das internationale Umfeld in Bewegung geraten, wie der Vergleich zeigt, den die am Mittwoch veröffentlichten, jährlich aufdatierten Steuerdaten der Buchprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG ermöglichen.

Immer weniger Ausnahmen

Die ordentliche Besteuerung von Unternehmen hat im Schweizer Durchschnitt zwischen 2006 und 2012 von 21,2% auf 18,1% abgenommen und ist seither fast konstant geblieben. Im internationalen Vergleich wirken vor allem die Innerschweizer Kantone und die beiden Appenzell mit ordentlichen Steuersätzen von zwischen 12% und 15% attraktiv. Hauptkonkurrent bleibt für sie Irland. Doch auch Konkurrenzstandorte wie Singapur, Hongkong und sogar Grossbritannien bieten inzwischen günstigere Steuersätze an als viele Kantone.

Der Vergleich der ordentlichen Steuersätze zeichnet allerdings ein sehr unvollständiges Internationaler SteuerwettbewerbBild, weil sich viele Steuerbehörden bei der Bemessung der Steuergrundlage sehr flexibel zeigen oder Ausnahmeregeln für bestimmte Arten von Firmen und Einkünfte kennen. So dürften etwa die wenigsten Firmen, die ihr Steuerdomizil nach Luxemburg verlagert haben, dort effektiv der offiziellen Steuerbelastung von 29,6% unterliegen. Auch in der Schweiz sind bisher für knapp die Hälfte aller Gewinnsteuereinnahmen des Bundes Konzerne mit steuerlichem Sonderstatus verantwortlich. Mit der Unternehmenssteuerreform III soll dies geändert werden. Aber auch international schränken die Bestrebungen der OECD, der G-20 und der EU sowie die immer grösser werdende Transparenz die Möglichkeiten für Sonderregeln immer stärker ein. Mittelfristig dürfte dies den Wettbewerb über die ordentlichen Steuersätze wieder verschärfen. Peter Uebelhart, Leiter Steuern bei KPMG, glaubt, dass sich das zugunsten der Schweiz auswirken könnte, weil Schweizer Kantone in der Lage seien, ihre Steuersätze auf ein attraktives Niveau zu reduzieren. Vor allem in der Süd- und Westschweiz, aber auch in Basel und Zürich müssten sie dazu aber wohl noch substanziell fallen.

An der Spitze wird es teuer

Viel unschöner als oft kolportiert präsentiert sich das Bild bei der Belastung natürlicher Personen durch Einkommenssteuern. Die Schweiz pflegt bei der Bundessteuer eine sehr progressive Besteuerung (die höchsten 5% der Einkommen tragen 70% der Steuerlast, die tieferen 50% bloss 1%). Deshalb werden insbesondere höhere Einkommen von Fachleuten ohne Kinder in vielen Kantonen auch im internationalen Vergleich hoch besteuert. Russland, Litauen, Estland, aber auch Hongkong oder Singapur bieten teilweise mit Einheitssteuersätzen tiefere Steuersätze als selbst der Kanton Zug. Zürich, Bern und Basel bitten zur Kasse wie Italien, und der Hochsteuerkanton Genf bewegt sich in denselben Sphären wie Frankreich oder Deutschland. Berücksichtigt man dann noch, dass Sozialversicherungen, Altersvorsorge und medizinische Versorgung in der Schweiz zu einem grossen Teil nicht über Einkommenssteuern finanziert werden, wird der Mythos vom Steuerparadies Schweiz erst recht zur Mär. Will man künftig (auch für Unternehmen) attraktiv bleiben, müsste das Gebot der Stunde «Sparen bei den Ausgaben» heissen.

Isabell Hemming www.w-t-w.org/en/isabell-hemming/

Isabell Hemming
www.w-t-w.org/en/isabell-hemming/

Siehe hierzu auch: Frauen und Kinder leiden überproportional unter Korruption/ Folge 5 Geldwäsche und schwere Steuerhinterziehung.

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