Journalisten, die ihre Mafia-Recherchen veröffentlichen, leben gefährlich

Anlässlich erneuter Morddrohungen gegen zwei italienische Journalisten lädt Lilli Gruber die Betroffenen und einen weiteren Mafia-Experten auf dem kommerziellen Kanal La7 zum Interview.

Video der Sendung:

Saverio Lodato, einer der größten Mafia-Experten in Italien und Kolumnist der Zeitung Antimafiaduemila, betont , dass nicht nur die Mafien großes Interesse daran hätten, Medienvertreter zum Schweigen zu bringen. Auch andere Kräfte, die nicht wollen, dass ihre Geschäfte öffentlich gemacht werden, seien am Schweigen der Medien interessiert. Gefährlich wird es dann, so Lodato, wenn ein Journalist zu begreifen beginnt, worüber er eigentlich Recherchen anstellt, und die Entscheidung trifft, nicht so zu tun, als habe er nichts begriffen.

Er erinnert an 9 Reporter in Sizilien und Neapel, die in den letzten 30, 40 Jahren für ihre unbequemen Artikel mit dem Leben bezahlt haben. Die Genannten und die im Studio anwesenden Publizisten gehörten zu einer besonderen Kategorie: zu der der investigativen Journalisten, die mit der Kraft der Worte gegen die Macht der Waffen, der Erpressung und der Geschäfte anschrieben. (…) Glücklicherweise habe der italienische Staat inzwischen verstanden, dass solche Presseleute geschützt und mit Personenschutz ausgestattet werden müssen.

Paolo Borrometi, Präsident des Vereins Articolo 21 (der italienischen Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert) und Journalist, lebt seit fünf Jahren mit Eskorte. Vor kurzem wurde ein Gespräch zwischen Mafiosi abgehört, aus dem hervorging, dass Vorbereitungen für ein Attentat auf ihn im Gange sind: „Lass ihn umbringen, du wirst sehen, eine Leiche ab und zu ist ganz nützlich für uns“. Der Grund? Er hatte seine Recherchen über den Verband IPG, der die Geschäfte mit Pachino-Tomaten organisiert, veröffentlicht: Zum Verband gehörte ein zu 23 Jahren verurteilter Mafia-Boss, der inzwischen aus dem Konsortium entfernt wurde. Sein Sohn, dem der Boss das Konsortium schon überschrieben hatte, wurde inzwischen ebenfalls festgenommen. Borrometi betont: „Hier hat der italienische Staat gewonnen!“ In einem Land, wo man sich ständig über die Abwesenheit des Staates beklage, müsse man das wirklich hervorheben.

Auch Federica Angeli, Journalistin der Repubblica, lebt seit fünf Jahren in ständiger Begleitung von Bodyguards, denn sie hat mehrere Artikel über die Infiltration Ostias (bei Rom) durch die lokalen Clans veröffentlicht. Vor kurzem erhielt sie wieder einmal einen Umschlag mit einem Projektil. Sie erzählt, dass nach dem Angriff auf einen Reporter des Staatsfernsehens RAI im November 2017 zwar 32 Clanmitglieder festgenommen worden seien, doch habe sich an der Rolle der Clans in Ostia nichts geändert. Ihrer Meinung nach ist es nötig, die Mentalität der Leute zu ändern. Investigative Berichterstattung sei enorm wichtig, denn sie könne zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führen, aber den Kampf gegen Mafia und Korruption allein den Gerichten und der Politik zu überlassen, sei bei weitem nicht genug. Hier müsse sich jeder einzelne engagieren.

In die häufigen Klagen über das erlahmte Engagement der Zivilgesellschaft will Saverio Lodato abschließend nicht einstimmen. Als die Politik in den Jahren 92-94 Ernst gemacht habe mit ihrem Kampf gegen die Mafien, hätte die Gesellschaft mitgezogen. Doch seit der Aussage des Ministers Lunardi 1994, man müsse „eben lernen, mit der Mafia zusammenzuleben“, sei das Engagement nach und nach erlahmt. Er ist aber überzeugt, sobald die Politik dem Kampf gegen Mafia und Korruption absolute Priorität einräumt, leistet auch die Gesellschaft wieder ihren Beitrag.

Inzwischen haben verschiedene bedrohte Journalisten und der Libera-Gründer Don Ciotti einen Appell an alle Medienvertreter gerichtet: In der Woche vom 25. April bis zum 1. Mai soll in einer außerordentlichen Medienkampagne das Thema Mafia und Korruption ins Zentrum des Interesses von Medien und Politik gerückt werden.

Man darf gespannt sein, wie viele Medien diesem Aufruf folgen!

 

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