Neues Geldwäschegesetz: Experten bezweifeln Wirksamkeit

Geldwäsche: Staat will 100-Milliarden-Euro-Geschäft eindämmen

100 Milliarden Euro Schwarzgeld werden laut einer Studie im Auftrag der Bundesregierung jährlich in Deutschland gewaschen. Das Geld stammt aus der Prostitution, dem Menschen- und Drogenhandel. Mit dem Inkrafttreten eines neuen Anti-Geldwäschegesetzes und der Stärkung einer Spezialeinheit hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben dafür gesorgt, dass „das gesamte System zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung schlagkräftiger“ wird. Doch Experten haben Zweifel. 
    
Drei Standorte hat das Autohaus Hornung in Bayern, einen davon in Garmisch-Partenkirchen, die Zugspitze in Sichtweite. Gerhard Lutz ist Geschäftsführer. Wenn er einen Blick auf die Papiere wirft, die sein Autohaus bei einem Geldwäscheverdacht ausfüllen soll, erinnert ihn das auch an einen Berg – einen Berg aus Papier.

„Hier werden über vier Seiten alle Daten verlangt. Zuerst muss ich mal unterschreiben, was wir vermuten, wo wir den Verdacht haben, was uns darauf gebracht hat. Und da wird’s dann schon schwierig. Wir klagen jemanden an. Und wir müssen das dann an die Behörden weiterleiten.“

Gerhard Lutz, Geschäftsführer
Bei Verdacht auf Geldwäsche müssen Behörden informiert werdenAutohändler, Juweliere, Kunst-, Antiquitäten- und Immobilienhändler: Gewerbetreibende also, bei denen viel Bargeld über den Ladentisch gehen könnte. Wenn ein Kunde vor ihnen sitzt, der zum Beispiel ein 150.000-Euro-Luxusfahrzeug bar bezahlen will, müssen sie hellhörig werden. Es könnte sich um Schwarzgeld handeln. Bestehen an der Identität des Kunden Zweifel, sind die Behörden zu informieren.

Peter Driessen, Industrie- und Handelskammern | Bild: Pressestelle IHK

„Der Staat überträgt hier seine originären Aufgaben auf Private. Das kann nicht sein – zumal er dann die Privaten auch noch in die Haftung nimmt, dass sie alles richtig gemacht haben.“

Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer IHK für München und Oberbayern

Kaum Meldungen wegen Verdacht auf Geldwäsche
Allerdings zeigen Statistiken: Bei den Behörden trudeln kaum Meldungen von Gewerbetreibenden ein. Seit 2002 gibt es eine beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelte Spezialeinheit – die Financial Intelligence Unit. Sie gehört zu den Behörden, die solche Meldungen entgegennehmen. 2015 waren es ganze 116, 2016 dann 151. „Deutlich zu wenig“, gibt die Behörde selbstkritisch zu, die jetzt personell aufgestockt wurde.

Den genauen Überblick über Geldwäsche-Meldungen hat keiner
Zwar nehmen auch die Bundesländer Hinweise entgegen. Doch wieviele es sind – darüber hat niemand einen Überblick. Das ARD-Fernsehmagazin Plusminus und BR Recherche haben alle Bundesländer angefragt, wie viele Vor-Ort-Kontrollen die zuständigen Behörden jeweils 2015 und 2016 in entsprechenden Betrieben gemacht haben – entweder anlassbezogen oder auch zufällig. Nicht alle Länder haben die Anfrage beantwortet.

Geldwäsche-Paradies Deutschland
Die Angaben, die vorliegen, gehen weit auseinander. Die Spanne reicht von 0 Kontrollen in Brandenburg, 11 in Rheinland-Pfalz, 33 in Sachsen, etwa 350 in Nordrhein-Westfalen und jeweils rund 500 Vor-Ort Kontrollen von Juwelieren, KFZ- und Immobilienhändlern in Bayern und Niedersachsen. „Deutlich zu wenig“, sagt Norbert Walter-Borjans, bis vor wenigen Wochen Finanzminister in Nordrhein-Westfalen

Norber Walter-Borjans | Bild: picture-alliance/dpa

„Also – in diesem Punkt ist Deutschland absolut Entwicklungsland. Da gibt’s absolut nix. Und es ist ein Paradies für diejenigen, die Geld waschen wollen und müssen.“

Norbert Walter-Borjans (SPD), Ex-Finanzminister Nordrhein-Westfalen

 Geldwäschebekämpfung scheitert am Föderalismus

Das liegt, so der SPD-Politiker, daran, dass der Bereich Geldwäschebekämpfung in Deutschland unglaublich zergliedert sei. Stichwort: Föderalismus. Walter-Borjans verwundern die niedrigen Kontrollzahlen deswegen nicht.

„Das kann es nicht sein, dass es in einem Land auf einer kommunaler Ebene ein Mensch im Ordnungsamt machen muss, der völlig überfordert ist. Bei uns in NRW die Bezirksregierungen. Das braucht also eine abgestimmtere Struktur als das bis jetzt der Fall ist.“

Norbert Walter-Borjans

Beschwerde bei der EU wegen des Geldwäschegesetzes

Andreas Frank war Sachverständiger bei der Bundestags-Anhörung zur jüngsten Geldwäschegesetz-Novelle. Ihn treibt das Thema der mangelhaften Geldwäschebekämpfung in Deutschland so um, dass er vor wenigen Tagen erneut Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht hat – wegen der seiner Meinung nach bestehenden Defizite bei den zuständigen Aufsichtsbehörden.

Andreas Frank: „Weniger als ein halbes Prozent wird konfisziert. Das Ziel der Geldwäschebekämpfung ist ja, an dieses Geld heranzukommen und es zu konfiszieren.“
Frage der Reporterin: „Und – gelingt es?“
Andreas Frank: „Es gelingt nicht.“

Radio Beitrag: BR.de/radio/b5-aktuell
100 Milliarden Euro Schwarzgeld werden jährlich in Deutschland gewaschen. Die Bundesregierung versucht gesetzlich gegenzusteuern – die Hauptlast wird auf die Unternehmen abgewälzt.

Der Funkstreifzug Geldwäsche

Andreas Frank

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie der Staat die Wirtschaft in die Pflicht nimmt
Sabina Wolf (Plusminus), Arne Meyer-Fünffinger (BR Recherche)

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