Wenns um Geld geht, versagt die Aufsicht!

Unsere Korrespondentin Dr. Caroline Bono lenkt unser Aufmerksamkeit auf das Thema,   Aufsichtsbehörden schauen weg. «Unwirksame Medis bleiben auf dem Markt»

Vier Jahre lang kämpften die Forscher darum, die vollständigen Daten zu Tamiflu zu erhalten. Ein Pharma-Experte erklärt, warum die Firmen den Zugang zu Studien oft verweigern.

Herr Volante, der Schweizer Pharma-Riese Roche hat sich vier Jahre lang geweigert, die Studiendaten zum Medikament Tamiflu herauszugeben. Nun kamen Forscher zum Schluss, dass das Medikament praktisch wirkungslos ist. Wie ist es möglich, dass Roche die Herausgabe dieser Daten verweigerte?

Salvatore Volante: In der Schweiz und in Europa waren Pharma-Firmen bisher nicht verpflichtet, diese Daten zu veröffentlichen. In den USA ist das hingegen der Fall, und auch in der EU hat sich diese Praxis kürzlich geändert. Die Schweiz hinkt da noch hinterher.

Wer kontrolliert, ob die Ergebnisse dieser klinischen Studien auch stimmen?

Will ein Unternehmen oder eine Institution eine Studie durchführen, muss sich diese bei einem ethischen Komitee anmelden. Diese kantonalen Komitees bestehen aus unabhängigen Ärzten und Experten, die meist auch einer Universität oder einem Institut angeschlossen sind. Das Gremium beurteilt aber nur das Studienkonzept. Nach Abschluss der Studie prüft die nationale Zulassungsbehörde das von der Firma vorgelegte Resultat. Auf dieser Grundlage und dem Nutzen-Risiko-Profil wird dann eine Marktzulassung erteilt.

Kommt es vor, dass unabhängige Forscher eine Studie wiederholen?

Nein. Obwohl das theoretisch möglich wäre, scheitert es meist am Geld: Studien mit tausenden von Patienten kosten schnell mehrstellige Millionenbeträge.

Die Konsumenten sind also auf die Ehrlichkeit der Pharma-Firmen angewiesen, was die Studienergebnisse betrifft?

Ja. Und auf die sorgfältige Prüfung der Daten durch die zuständige Behörde. In der Schweiz ist es das Bundesamt für Gesundheit, das für die Prüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zuständig ist.

Wie oft kommt es vor, dass ein Medikament vom Markt genommen wird, weil es nicht wirksam ist?

Das ist meines Wissens noch nie passiert. Wenn ein Medikament zurückgezogen wird, dann, weil erst nach der Marktzulassung schwere Nebenwirkungen bekannt wurden. Oder wenn ein Mittel – in Kombination mit anderen Medikamenten – zu Todesfällen geführt hat.

Bei der Debatte um die Wirksamkeit von Tamiflu steht nicht nur Roche in der Kritik, sondern auch die Heilmittel-Zulassungsstelle Swissmedic. Zu Recht?

Falls sich die Ergebnisse der Cochrane-Studie bestätigen, muss sich Swissmedic die Frage gefallen lassen, warum sie Tamiflu für den Markt zugelassen hat. Und warum sie das Medikament für wirksam gehalten hat.

Was muss sich in Zukunft ändern, damit sich der Fall Tamiflu nicht wiederholt?

Zwei Änderungen sind nötig. Erstens sollen die Daten aller klinischen Studien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Und zweitens soll die Marktzulassungsbehörde von den Firmen auch nach der Zulassung weitere Studien zur Wirksamkeit verlangen können.
Medikament unwirksam? Was ist hier falsch?

Tamiflu

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