Deutsche Immobilienmarkt Paradies für Geldwäscher

Nach Schätzungen deutscher Sicherheitsbehörden fließen jährlich bis zu 30 Milliarden Euro Schwarzgeld nach Deutschland, vor allem in den Immobiliensektor. Geld auch aus der Organisierten Kriminalität. Um mögliche Geldwäsche durch Investoren prüfen zu können, hat Deutschland im Herbst 2017 das so genannte Transparenzregister eingerichtet. In diesem Register sollen Informationen über die wirklichen, natürlichen Personen hinter Unternehmen oder Stiftungen zusammengetragen werden. Aber taugt dieses Mittel im Kampf gegen Geldwäsche?

Die KONTRASTE-Recherche führt anhand einer seit zehn Jahren leerstehenden Immobilie in bester Berliner Innenstadtlage vor, wie hilflos Behörden, aber auch betroffene Mieter sind, wenn es darum geht herauszufinden, wer hinter einem Immobiliendeal steht. Das Transparenzregister entpuppt sich als untauglich. Deutschland bleibt ein Geldwäscheparadies.Für Investoren ist der deutsche Immobilienmarkt zur Zeit ein äusserst lohnendes Geschäft, sie investieren Milliarden. Aber woher kommt das ganze Geld? Das würden viele gern wissen, deren Haus grade verkauft wird. Um Klarheit zu schaffen, ob Geldwäsche oder Schwarzgeld im Spiel ist, wurde unlängst ein so genanntes Transparenzregister eingerichtet. Doch geholfen hat das bislang wenig.

Viele Fenster sind zerschlagen, der Putz fällt überall herab und in den Ecken liegt Junkie-Müll: Ein Geisterhaus, bis auf drei Geschäfte seit Jahren leergezogen. Und das mitten in Berlin, nur 100 Meter vom Kudamm entfernt. Eine halbe Ruine – wegen der steigenden Immobilienpreise dennoch jedes Jahr mehr wert.

Allein schon wegen der Wohnungsnot in der Stadt ärgert dieser Zustand den verantwortlichen Baustadtrat. Aber um über die Zukunft des Hauses verhandeln zu können, braucht er die Menschen, denen es gehört – und die zeigen sich nicht.

Oliver Schruoffeneger, (Bü90/Die Grünen), Baustadtrat Charlottenburg-Wilmersdorf:
„Wir haben versucht, die Eigentümerstruktur zu ergründen, um mal ja rauszukriegen, was sind denn eigentlich die Interessen, die hier vorherrschen könnten. Das ist völlig unmöglich.“

Die Eigentümer zu finden soll ein Problem sein? Wir machen uns selbst auf die Suche, wollen wissen, wer Millionen investiert – und offenbar nichts damit anfängt.

Erste Adresse: das Grundbuch – eine Institution, so ehrwürdig wie das Berliner Amtsgericht, in dem die Original-Akten aufbewahrt werden. Seit Jahrhunderten hält das Grundbuch in Deutschland fest, wem Haus und Hof gehören.

In unserem Fall nennt es als Eigentümer aber leider nur eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Wiwela Bau Projekt GmbH – aber keine Personen.

Das Internet bietet auch kaum Information: Die Website ist noch im Bau, es gibt nicht einmal eine Email-Adresse. Immerhin aber eine Berliner Postanschrift.

Doch gleich stehen wir vor dem nächsten Problem: ein Klingelschild suchen wir vergeblich, finden nur eine Rechtanwaltskanzlei, die der Firma Wiwela offenbar ihren Briefkasten zur Verfügung stellt. Wir klingeln bei der Kanzlei und fragen nach der Wiwela.

Frage Kontraste:
„Also, die stehen nur auf dem Briefkasten, aber man kann sie nicht erreichen?“

Gedächtnisprotokoll – Stimme nachgesprochen:
„Sie können sie nicht erreichen, wenn Sie jemanden erreichen wollen, dann geben sie doch schriftlich eine Eingabe ein.“

Wir hinterlassen einen Brief mit der Frage nach den wirklichen Eigentümern – und warten auf Antwort.

Im Internet finden wir für die Wiwela noch eine Telefonnummer aus Niedersachsen. Offenbar eine veraltete Information: Denn von dort hören wir: man habe die Firma längst verkauft – an wen, das könne man nicht sagen.

Erstes Fazit: aus dem Grundbuch lässt sich nicht erkennen, welchen natürlichen Personen das Haus gehört. Nach dem Verkauf der Firma werden die Namen der neuen Inhaber nämlich nicht ins Grundbuch eingetragen. Das Haus gehört ja weiterhin demselben Unternehmen.

Weil Immobilien aber immer öfter Gesellschaften und nicht Privatpersonen gehören, reicht das Grundbuch häufig nicht mehr aus, um Eigentumsverhältnisse wirklich zu klären, meint die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus.

Lisa Paus, MdB, finanzpol. Sprecherin Bü’90/Die Grünen:
„Im Grundbuch stehen eben nicht die wirklichen wirtschaftlichen Eigentümer, und deswegen gibt es praktisch keinen Überblick darüber, wem die Stadt gehört.“

So darf das nicht bleiben, sagt Politikberater Andreas Frank. Schließlich treiben Milliarden an Kapital aus dem In- und Ausland zurzeit die Immobilienpreise in die Höhe – da haben die Bewohner ein Anrecht darauf, zu wissen, wer hier durch Eigentum Einfluss gewinnt.

Andreas Frank, AMLCFT Politikberater:
„Wir wollen wissen, wer diese Stadt aufkauft! […] Schluss mit lustig: Wir wollen wissen, wer ihr seid und woher euer Geld kommt!“

Nächster Schritt: wir suchen die Gesellschafter der Firma im Handelsregister. Vielleicht finden wir so die Personen, die hinter der Wiwela stehen.

Doch auch hier kommen wir nicht weiter: Wir stoßen auf ein unübersichtliches Firmengeflecht mit Anteilseignern in Russland und Tschechien.

Immerhin verrät uns das Handelsregister: viele Unternehmen des Geflechts haben dieselben Geschäftsführer. Die sollen an derselben Adresse in Moskau wohnen: Victor und Stanislav T. Der Wohnblock: eine geschlossene Anlage. Ohne Eingangs-Code kommt man gar nicht erst hinein. Kontaktaufnahme: Fehlanzeige.

Einer der größten Anteilseigner der Wiwela Bau ist die GmbH „Hotel Salve“. In Karlovy Vary in Tschechien, ein Vier-Sterne-Hotel. Wir fahren nach Karlovy Vary. Treffen wir dort wenigstens die Geschäftsführer an? Schließlich hat Victor T. das Hotel „Salve“ im Handelsregister auch als Wohnsitz angegeben.

Im luxuriösen Mittelpunkt des ehemaligen Kaiserbads finden wir Haus „Salve“. Und tatsächlich: im Fenster hängen die Namen von Victor und Stanislav T. – als Geschäftsführer des Hotels. Zu sprechen sind sie auch hier nicht. Frühestens in vier Wochen könnte er Victor T. unseren Brief übergeben, erklärt der Portier. Er käme nur ab und zu vorbei, etwa einmal im Monat.

Wir beenden die Jagd nach den Phantomen – und fahren zurück nach Berlin. Behält der Baustadtrat am Ende recht: und die wahren Eigentümer des Hauses sind nicht zu ermitteln?

in letzter Versuch: seit neun Monaten gibt es das sogenannte „Transparenzregister“, eingeführt aufgrund einer Richtlinie der Europäischen Union.

In dieses Transparenzregister sollte eigentlich jede Firma eintragen, wer ihre sogenannten „wirtschaftlich Berechtigten“ sind, wer also von ihr profitiert – falls dies nicht schon in anderen Registern steht.

Archiv 2016, Heiko Maas (SPD), amtierender Justiziminister 2016:
„Briefkastenfirmen, bei denen die wirtschaftlich Berechtigten anonym bleiben, darf es in Zukunft nicht mehr geben.“

Wir fragen beim Transparenzregister an – und bekommen nach einer Woche gespannten Wartens diese dürre Auskunft: für die Wiwela Bau Projekt GmbH gebe es:

„keine Eintragung eines wirtschaftlich Berechtigten“.

Für Lisa Paus bringt die Einführung des Transparenzregisters bisher kaum Fortschritte. Wer wirklich hinter millionenschweren Investitionen steht, lässt sich in vielen Fällen auch weiterhin nicht klären.

Lisa Paus, MdB, finanzpol. Sprecherin Bü’90/Die Grünen:
„Das größte Problem, dass es immer noch ganz viele Möglichkeiten gibt, die Öffentlichkeit und eben auch die Behörde hinter die Fichte zu führen […], so dass das Transparenzregister eigentlich gar nicht den Zweck erfüllt, den es ursprünglich, den wir uns von dem Gesetz wünschen.“

Die Wiwela hat uns schließlich geantwortet: die Geschäftsführer Victor und Stanislav T. seien zugleich auch die Eigentümer der Firma. So die Behauptung. Belege dafür zeigen sie uns aber nicht.

Beitrag von Ute Barthel & Andrea Everwien

www.rabe-karikatur.de

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