Haben Berlusconi und Dell’Utri die Attentate von 1993 in Auftrag gegeben?

Seit kurzem ist es amtlich: Die Staatsanwaltschaft Florenz ermittelt wieder gegen Berlusconi und seine „rechte Hand“ Marcello Dell’Utri wegen des Verdachts, die Mafia-Attentate in Mailand, Florenz und Rom in Auftrag gegeben zu haben.

Freunde und Parteigänger schreien deshalb angeblich entsetzt auf. Der Name dessen, der am lautesten schreit, ist auch außerhalb Italiens bekannt: Matteo Renzi. „Ohne den Hauch eines Beweises“ werde da wieder ermittelt, so der ehemalige Regierungschef des PD (Sozialdemokraten), ähnliche Töne vernimmt man nun von allen Seiten. Marco Travaglio, Direktor der Tageszeitung Il fatto quotidiano, listet unter dem Titel „x-te Wiederholung für Esel“ die Fakten auf, auf die sich die Staatsanwaltschaft stützt und die offensichtlich vielen Politikern völlig unbekannt sind, dabei ist das nötige Material – vor allem die vollständigen Texte der Gerichtsurteile – frei verfügbar im Internet, man muss nur willens sein, sie zur Kenntnis zu nehmen.

Hier Travaglios Aufzählung:

  1. 1992-93 sahen B. und Cosa Nostra, wie „ihre“ Parteien unter den Schlägen von Mani pulite untergingen (1). Ist es so absurd zu glauben, dass sie sich darüber einig waren, wie notwendig die Gründung einer neuen Partei war, die ihnen beiden, B. und Cosa Nostra, Garantien bieten würde?
  2. Die Idee zur Partei Forza Italia hatte Marcello Dell’Utri (2) im Mai 1992 – er hatte sich vorher noch nie mit Politik beschäftigt – aber „von 1974 bis 1992“ war er „der Mittelsmann des Paktes zwischen Berlusconi und Cosa Nostra“, (so das definitive Urteil gegen Marcello Dell’Utri wegen Mafia); und er gründete sie 1993 mit dem Geld und den Fernsehkanälen von B. Was soll daran merkwürdig sein, dass er darüber und über B. mit seinen Mafia-Freunden gesprochen hat?
  3. Am 21. Mai 1992 sprach Paolo Borsellino in einem Interview mit dem französischen Sender Canal plus (das im italienischen Fernsehen nie gesendet worden ist) über seine noch laufenden Ermittlungen gegen Mangano (3), B. und Dell’Utri. Zwei Tage später wurde Falcone in die Luft gesprengt, 59 Tage später er selber. Nur ein bedauerlicher Zufall?
  4. Anfang 1993 gründeten Provenzano, Bagarella &Co (4) die autonomistische Partei Sicilia libera und am Ende desselben Jahres lösten sie sie wieder auf, um Wahlkampf für die neugegründete Forza Italia zu machen. Noch ein Zufall?
  5. In den Gipfelgesprächen in Arcore im April `93 trieben Dell’Utri, Previti und Ferrara B. an, während Letta, Confalonieri und Costanzo ihn bremsten. (5) Am 14. Mai entkam Costanzo wie durch ein Wunder einem Bombenattentat der Mafia. Ein weiterer Zufall?
  6. In den Terminkalendern von Dell’Utri sind im November `93 zwei Treffen mit Vittorio Mangano vermerkt, der erst kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war, 19 Jahre nach seinem Engagement als „Stallmeister“ im Hause B. Worüber sprachen die beiden? Von der Partei, deren Gründung Dell’Utri vorantrieb, oder – wie er beschwört – von Manganos Gesundheitsproblemen?
  1. Am 19./20. Januar `94 ist Giuseppe Graviano, Mafiaboss aus Brancaccio, in Rom und bestellt seinen Lieblingskiller Gaspare Spatuzza, der schon für die Bomben in Via D’Amelio (Attentat gegen Borsellino), in Via dei Georgofili (Attentat in Florenz `93), in Via Palestro (Attentat in Mailand `93) und bei den beiden Basiliken in Rom (`93) verantwortlich war, in die Bar Doney in Via Veneto. Sie liegt gegenüber dem Hotel Majestic, in dem damals Dell’Utri sich aufhält, um die Kandidaten für Forza Italia auszuwählen. Dort – so berichtet Spatuzza später – vertraut ihm der Boss an, dass B. und Dell’Utri dabei sind, „Italien in die Hand zu bekommen“. Aber dafür sei es noch notwendig, dem Staat „den Gnadenstoß“ zu versetzen: das Attentat auf das Olympiastadion von Rom. (6) Weshalb sollte Spatuzza, ein stets glaubwürdiger Kronzeuge, angefangen bei seinem Geständnis zum Attentat in der Via D’Amelio, mit dem er alle Manipulationen bei der Rekonstruktion des Attentats hinweggefegt hat (7), ausgerechnet diesen Satz erfunden haben?
  2. Am 23. Januar `94, zwei Monate vor den vorgezogenen Wahlen, versucht Cosa Nostra das Attentat auf das Olympia-Stadion von Rom, doch es missglückt: Die Fernbedienung für den Zünder funktioniert nicht. Das Attentat wird auf einen der folgenden Sonntage verschoben. Doch am 26. Januar „begibt sich B.“ mit seiner allseits bekannten Videobotschaft „aufs Spielfeld der Politik“. Am 27. Januar werden die Mafia -Brüder Graviano in Mailand festgenommen. Cosa Nostra cancelt das Attentat auf das Stadion und legt die Waffen weg. Haben die Mafiabosse `92/`93 nur ohne Sinn und Verstand geschossen oder waren sie inzwischen die Attentate ein bisschen leid oder wollten sie der Partei ihres Freundes keine Schwierigkeiten machen?
  3. Nachdem B. die Wahlen gewonnen hat, geht er an die Regierung und erlässt sofort das Dekret Biondi , das drei Gesetze zu Gunsten der Mafia enthält. Dell’Utri hatte Mangano gegenüber diese Gesetze schon bei ihren Besprechungen in der Villa in Como angekündigt. B. seinerseits zahlt nach all diesen Attentaten auch als Regierungschef weiterhin jedes halbe Jahr 250 Millionen Lire an Cosa Nostra. Die pax mafiosa trägt die ersten Früchte, oder sind auch dies nur Zufälle?
  4. 1996 spricht der Boss Salvatore Cancemi, Mitglied der Kommission von Cosa Nostra, (der damals beschlossen hatte, mit der Polizei zusammenzuarbeiten und für die Justiz der wichtigste Kronzeuge war) von B. und Dell’Utri als von den externen Auftraggebern der Attentate. Zig andere Kronzeugen machen eine gleichlautende Aussage. Aber auch angenommen, diese Aussagen gäbe es nicht, so ist da noch der sture Mafiaboss Giuseppe Graviano, der 2016-17 im Gefängnis abgehört wird. Er erzählt dem ihm zugeordneten Gefährten für den täglichen Spaziergang, die Attentate seien „ein Gefallen“ gewesen, den „Berlusca“ von ihm verlangt habe. Und er bebt vor Zorn auf B., weil „ich vor 25 Jahren mit dir zusammengesessen, gegessen und getrunken habe“, „ich habe dir Wohlstand gebracht“, und dann „wurdest du zum Verräter“, „du hast mir den Dolch reingerammt“, „du lässt mich im Gefängnis verrecken“. Weshalb sollte er, wenn er von den Attentaten spricht, B. ins Spiel bringen und sich über dessen Verrat aufregen, sich eine Erpressung überlegen? Hatte er Langeweile? Wollte er ein Späßchen machen oder haben B. und Dell’Utri tatsächlich in den Jahren `93/`94 etwas von ihm verlangt und ihm etwas versprochen?

Und der Journalist schließt seine Aufzählung: Renzi und die anderen allseits bekannten Mafiologen sollen uns ihre Interpretation der Fakten mitteilen. Da wird es was zu lachen geben!

 

Anmerkungen:

  1. Die Partei, auf die sich Cosa Nostra stützte, war die Democrazia Cristiana, geführt über lange Jahre von Giulio Andreotti, B.s Partei war die seines Mentors Bettino Craxi: die Sozialistenpartei. Beide gingen in den Korruptionsskandalen von Mani pulite unter.
  2. Marcello Dell’Utri, mit B. schon zu Universitätszeiten befreundet, in verschiedenen Funktionen immer an der Seite des Unternehmers und dann des Politikers B., büßt nach der definitiven Verurteilung wegen Zugehörigkeit zur Mafia eine siebenjährige Haftstrafe ab, im Prozess zur trattativa wurde er 2018 in erster Instanz zu 12 Jahren Haft verurteilt.
  3. 1974 wurde B. die Entführung seiner Kinder angedroht. Dell’Utri besorgte zur Sicherheit der Familie daraufhin den Mafiaboss Vittorio Mangano aus Palermo. Offiziell arbeitete Mangano als Stallmeister in B.s Villa.
  4. Bernardo Provenzano: Nach der Festnahme von Totò Riina (`93) Boss der Bosse in der Cosa Nostra; Leoluca Bagarella: nach Riinas Festnahme übernahm er das Kommando über den militärischen Flügel der Cosa Nostra und führte Riinas Strategie der blutigen Attentate fort.
  5. Previti: Anwalt und Vertrauter von B., Verteidigungsminister unter der Regierung B.; Ferrara: einflussreicher Journalist, Herausgeber von Il Foglio, Mitglied der B.-Regierungen; Letta: 3x Staatssekretär des Präsidenten B., später Vermittler zwischen FI und dem PD von Renzi; Confalonieri: Unternehmer und enger Freund von B.; Maurizio Costanzo: einer der bekanntesten Moderatoren im italienischen Fernsehen, in seiner Costanzo-Show wurde auch das Thema Kampf gegen die Mafia diskutiert.
  6. Das Attentat hätte Hunderten von Polizisten das Leben gekostet, die zur Sicherung des Fußballspiels eingeteilt waren.
  7. Die Ermittlungen zum Attentat gegen Paolo Borsellino in Via D’Amelio wurden von Anfang an in einer Weise manipuliert, die man auch in Italien vorher noch nie gekannt hatte: Ein falscher Kronzeuge beschuldigte sich selbst, das Attentat organisiert zu haben, und brachte 10 unschuldige Personen ins Gefängnis. Die Manipulationen flogen auf, als Gaspare Spatuzza, der wirkliche Autor des Attentas, sich entschloss mit der Justiz zusammenzuarbeiten…

Die italienischen Mafien sind Herrscher in Europa

So das Ergebnis einer Analyse der Situation in Europa durch den Experten Vincenzo Musacchio (1). In Europa tummeln sich insgesamt ca. 4000 Mafien und mafiaähnliche Organisationen. Sie machen Geschäfte im internationalen Handel, im globalen Feld der Logistik, im Mobilfunk, in den Medien und im Internet und haben inzwischen ein kriminelles Netzwerk geknüpft. Aber die unbestrittenen Herrscher in Europa sind die italienischen Mafien und sie sind die gefährlichsten, da sie den Nutzen der Kooperation entdeckt haben.

Auf diese neue Situation sind die für den Kampf gegen Mafien und Korruption eingerichteten Behörden überhaupt nicht vorbereitet. Europol spricht von einer Ausbreitung der italienischen Mafien in Europa, die sich vor allem in Spanien, Bulgarien, Großbritannien, Deutschland, Österreich, Schweiz und Portugal in geradezu schwindelerregendem Tempo vollzieht. Besonders aktiv sind sie im Drogen-, Menschen-, Organ- und Waffenhandel, und in den letzten 10 Jahren haben sie sich vor allem auch auf Subventionsbetrug und auf die Geschäfte im Finanzbereich und im internationalen Handel spezialisiert. Ihre Methoden sind extrem raffiniert, was die Aufdeckung der Verbrechen ziemlich erschwert. Sie zeichnen sich auch durch besonderes Geschick bei kriminellen Aktivitäten im Netz und bei der Geldwäsche aus, so dass die Behörden nicht einmal dazu in der Lage sind, die Zahl der Verbrechen auch nur einzudämmen.

Die `ndrangheta zum Beispiel hat sich ein tragfähiges Netzwerk geschaffen, zu dem auch Komplizen auf internationaler Ebene zählen. Die Globalisierung der Finanzmärkte, die zunehmende Deregulation des Kapitals, die neuen Technologien, die Digitalisierung im Finanzsektor haben das Wachstum der legalen Wirtschaft befördert, dies gilt aber in gleicher Weise für die illegale Wirtschaft. Die organisierte Kriminalität kann sich in unglaublich kurzer Zeit auf neue geopolitische Veränderungen einstellen, ein Beispiel ist, dass unmittelbar nach dem Fall der Mauer in Berlin die italienischen Mafien für die neuen Bundesländer die Parole ausgaben „Kaufen, kaufen, kaufen!“

Spanien ist für die italienischen Mafien ein wichtiges Land, in dem Geldwäsche hervorragend funktioniert. Die kriminellen Gewinne werden dort in Geschäften und Firmen, in Immobilien, in Restaurantketten und anderen Bereichen gewaschen, die sich besonders gut dafür eignen. In England kontrolliert die italienische organisierte Kriminalität den Handel mit Drogen aus der Türkei, Afghanistan und Pakistan. Holland ist besonders interessant, da im größten Hafen Europas, in Rotterdam, die Drogen aus den südamerikanischen Ländern eintreffen, um dann auf ganz Europa verteilt zu werden. In Brüssel trifft man auf Clans der drei größten Mafien Italiens. Cosa Nostra und `ndrangheta arbeiten auch in Luxemburg und im Fürstentum Monaco. In Bulgarien, Slowenien und Kroatien sind Gruppen der Camorra, der `ndrangheta und der Sacra Corona Unita aktiv, die untereinander, aber auch mit anderen kriminellen Clans in Ost-Europa kooperieren. Schmuggel, Drogen- und Waffenhandel, aber auch der Handel mit Giftmüll und das Feld der Sportwetten sind dort für sie die wichtigsten Betätigungsfelder.

Die Situation ist als dramatisch einzuschätzen. Und was macht die EU? Sie scheint den Kampf gegen die OK noch nicht einmal aufnehmen zu wollen. Wie sonst soll man es interpretieren, dass von dem europäischen Gesetz, das Zugehörigkeit zur Mafia unter Strafe stellt und die Beschlagnahmung von Mafiabesitz vorsieht, und von der Einrichtung spezieller Behörden zur Bekämpfung der OK noch nicht einmal mehr die Rede ist.

Europa braucht einen europäischen Antimafia-Staatsanwalt, das Verbrechen „Zugehörigkeit zur Mafia“ muss auf alle europäischen Staaten ausgedehnt werden, und die Maßnahmen jedes Mitgliedslands zur Beschlagnahmung von Mafiabesitz müssen gegenseitig anerkannt werden. Dies wäre ein guter Anfang und ein entscheidender Impuls für den Kampf gegen die Vorherrschaft der Mafien in Europa.

  • Vincenzo Musacchio, Professor für Strafrecht an verschiedenen italienischen Universitäten, untersucht wissenschaftlich die Problematik der Bekämpfung von OK und Korruption. Die im Artikel von ihm genannte Quelle ist Europol (Strafverfolgungsbehörde der EU).

“Die Geschichte – das sind wir“. (Darstellung von Totò Riina, Boss der Bosse der Cosa Nostra, verstorben 2017)

 

Cosa Nostra: Das Verlangen nach politischer Macht

Von den „Leghe des Südens“ zu Silvio Berlusconis Partei „Forza Italia“

Der Prozess „zur trattativa“, d.h. zu den Verhandlungen von italienischem Staat mit Cosa Nostra, die im Untergrund (ab 1992) geführt wurden, liefert mit seinen Rekonstruktionen der damaligen Ereignisse auf über 5000 Seiten verschiedene höchst interessante Erkenntnisse (1). Die Urteile der ersten Instanz wurden im April 2018 gesprochen: Alle Angeklagten, hochrangige Mafiabosse, hohe Ränge einer Carabinieri-Sondereinheit (die sog. „ROS“) und Politiker wurden zu hohen Strafen verurteilt. Roberto Tartaglia, einer der drei Ankläger in diesem Prozess, (2) beschreibt in einem Interview, das er dem Herausgeber von Antimafiaduemila, Giorgio Bongiovanni, gegeben hat, welche Pläne Cosa Nostra verfolgte, nachdem klar war, dass die für Januar 1992 vorgesehenen Urteile im Maxiprozess (3) nicht im Sinne der Cosa Nostra in Freisprüche verwandelt werden würden. Die bisherigen Bezugspersonen in der italienischen Politik, vor allem Vertreter der Democrazia Cristiana, hatten, wie es die Mafia sieht, ihre Versprechen gebrochen, waren Verräter.

Der Moment, in dem sich die italienische Politik an Vertreter der Cosa Nostra wendet, um die Strategie der blutigen Attentate von Totò Riina zu beenden, ist der 12. März 1992, als Salvo Lima, der sizilianische Politiker der DC (Democrazia Cristiana) – damit direkter Verbindungsmann zu Giulio Andreotti – von der Mafia ermordet wird. Mit diesem Attentat setzt Cosa Nostra ein deutliches Zeichen, dass ihre bisherige Zusammenarbeit mit der italienischen Christdemokratie beendet ist, da diese nicht in der Lage war, die definitiven Urteile im Maxiprozess im Sinne der Mafia zu beeinflussen. Sie muss also neue Wege, neue Bezugspersonen finden, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Dieses Bedürfnis nach Veränderung haben nicht nur Totò Riina und seine Organisation, nein, auch die italienische Gesellschaft will Veränderungen in der Politik. Man darf nicht vergessen, 1992 ist auch das Jahr, in dem in Mailand die Korruptionsprozesse von „Tangentopoli“ beginnen, in deren Verlauf die größten italienischen Parteien, DC und die Sozialistische Parte, untergehen. Also, so Tartaglia, besteht eine Konvergenz zwischen den Interessen der Cosa Nostra und dem Zeitgeist, die die Mafia wie schon immer für sich zu nutzen wusste.

Den Beginn der Phase der Veränderung im Innern von Cosa Nostra sieht der Staatsanwalt jedoch schon früher, in der sog. „Konferenz in Enna“, am Ende von 1991 (4). Auf dieser Konferenz formuliert Riina, der Boss der Bosse, schon die Richtung, in die die neue politische Strategie der Mafia gehen werde: Cosa Nostra muss zum Staat werden. Dies könne man erreichen durch die Gründung einer „Lega des Südens“ nach dem Vorbild der „Lega Nord“ von Umberto Bossi, der in einer programmatischen Rede schon 1990 die separatistischen Pläne seiner Lega formuliert und eine geographische Dreiteilung Italiens ankündigt. Kurz darauf veröffentlicht der Chef-Ideologe der Lega Nord, Gianfranco Miglio, sein Buch „Eine neue Verfassung für die nächsten 30 Jahre“, in dem eben diese Ideen ausgeführt werden. Nicht viel später, so bemerkt Tartaglia, entstehen auffällig viele „Leghe del Sud“, die praktisch ohne Ausnahme von Vertretern der extremen Rechten gegründet werden. Ein Beispiel ist die „Sizilianische Lega“, deren Gründer Stefano Menicacci davor Mitglied der faschistischen Partei MSI war (5). Bei der Vorstellung seiner neuen Lega in Ragusa (Sizilien) fordert Menicacci die Abschaffung aller „Sondergesetze“. Das Sondergesetz, das abgeschafft werden soll, so erklärt Tartaglia, ist natürlich das Gesetz Rognoni-La Torre, das die Mitgliedschaft in der Mafia als Straftat definiert und die Beschlagnahmung des Mafia-Besitzes vorsieht. Kurz darauf wird eine andere „Lega des Südens“ in Palermo vorgestellt. Der Gründer, eine Person die zum engen Kreis des Faschisten und Chef der Geheimloge P2 Licio Gelli (6) gehört, schlägt als Kandidaten für die nächsten Wahlen Licio Gelli höchstpersönlich und Vito Ciancimino (7) vor. Auch er kündigt an, das Sondergesetz Rognoni-La Torre durch ein Referendum abschaffen zu wollen.

Auf die Frage Bongiovannis nach der Aussage des Kronzeugen Giovanni Brusca, dass Riina schon 1992, unmittelbar nach dem Mord an Salvo Lima, vorgeschlagen habe, Marcello Dell’Utri, die rechte Hand von Silvio Berlusconi, wegen eines neuen politischen Projekts zu kontaktieren (8), antwortet Tartaglia, er wolle zuerst über „Sicilia Libera“ („Freies Sizilien“) sprechen.

Mit der Gründung der Lega „Sicilia Libera“, die laut Tartaglia „reifer gewesen ist als ihre Vorgänger, versucht die Cosa Nostra zum ersten Mal eine eigene politische Bewegung auf dem Feld der Politik zu installieren.“ Der Staatsanwalt zitiert in diesem Zusammenhang den Mafia-Boss und Schwager von Totò Riina, Leoluca Bagarella, der sich mehrfach zu den Zielen von „Freies Sizilien“ geäußert hat: „Ich möchte nicht die Fehler meines Schwagers wiederholen, der einfach zu brav (!) war und sich am Ende sein Spiel von den Politikern hat aufzwingen lassen“. Bagarella habe zwei Ziele für die neue Lega formuliert: 1. Die Zustimmung der Bevölkerung, d.h. Wählerstimmen zu sammeln, um sie später auf ein anderes politisches Projekt übertragen zu können, oder 2. Eine eigene politische Bewegung daraus zu machen. Am Projekt „Sicilia libera“ hätten vor allem drei Mafiabosse gearbeitet: Leoluca Bagarella, Giuseppe Graviano und Matteo Messina Denaro. Man habe in diesem Zusammenhang auch den Boss Rosario Naimo wegen seiner guten Kontakte zu den amerikanischen Geheimdiensten beauftragt, in den USA nachzufragen, ob die Mafiagründung von dort eine Art internationaler Anerkennung haben könne.

Wenig später hätten diese drei Bosse in der Nähe von Cefalù eine Konferenz mit dem Senator DC Vincenzo Inzerillo (9) organisiert, um mit ihm das Projekt „Sicilia libera“ zu diskutieren. Thema sei ebenfalls gewesen, wie man die politischen Ziele durch Attentate fördern könnte. „Es gibt also einen ganz engen Zusammenhang zwischen den Attentaten damals und den politischen Plänen“ betont der Staatsanwalt.

Wie die oben erwähnte Äußerung Giovanni Bruscas zu interpretieren sei, dazu wolle er nichts sagen. Er ziehe es vor zu prüfen, ob es daneben nicht andere Daten gebe, die in dieselbe Richtung wiesen. Als erstes nennt er die schriftlich vorliegende Ankündigung des Gründers von „Freies Sizilien“, Nino Strano, die Bewegung „Sicilia Libera“ sei aufgelöst und die gesammelten Wählerstimmen würden auf die neugegründete Partei „Forza Italia“ übertragen. Ein weiteres Puzzleteil sei die Tatsache, dass der Name Vincenzo La Bua, Mitbegründer von „Sicilia libera“, auf einer Liste auftaucht, auf der die Präsidenten der lokalen Clubs von Forza Italia aufgeführt sind. Außerdem fänden sich die Kontaktdaten eines Mitglieds von Sicilia Libera, Ferdinando Platania, im Adressbuch von Marcello Del’Utri. Auch die Aussage des Kronzeugen Tullio Cannella, Bagarella habe ihm vorgeschlagen, einen Forza-Italia-Club „Sicilia libera“ zu gründen, sei in diesem Kontext zu sehen. „Selbst wenn man die Aussage Bruscas außen vor lässt, so gibt es doch einige objektive Daten, die eine gewisse Kontinuität bei Personen und Vorgehensweisen beweisen“. Die Schlüsse, die man aus diesen objektiven Daten ziehe, so betont Tartaglia, seien jedem einzelnen überlassen.

  1. Die Anklage richtet sich nicht auf die Tatsache, dass der italienische Staat in Verhandlungen mit Cosa Nostra getreten ist, sondern lautet „Erpressung eines politischen Gremiums“, damit gemeint sind u.a. drei italienische Regierungen. Das Urteil nennt die Regierungen Amato, Ciampi und Berlusconi.
  2. Roberto Tartaglia ist im März 2019 zum offiziellen Berater der parlamentarischen Antimafia-Kommission ernannt worden.
  3. Der Prozess in Palermo, mit dem Giovanni Falcone und Paolo Borsellino zum ersten Mal erreichten, dass Mafia-Prozesse nicht, wie in der Vergangenheit übliche Praxis, mit Freisprüchen endeten. Der Name Maxiprozess geht zurück auf die Tatsache, dass einer nie dagewesenen Zahl von Mafiapaten der Prozess gemacht wurde (474).
  4. Dieser Ausdruck wird von verschiedenen wichtigen Kronzeugen verwendet. Es handelt sich dabei um einen Summit der Cupola, des höchsten Gremiums der Cosa Nostra unter Vorsitzt von Totò Riina.
  5. MSI (Movimento sociale italiano) war eine neofaschistische Partei, gegründet 1946 von einigen Führern der faschistischen Partei und von Kämpfern der italienischen Sozialrepublik
  6. Licio Gelli, italienische Faschist, unter dessen Führung die ehemalige Freimaurerloge P2 in den 1970er Jahren zur Tarnung einer politischen Geheimorganisation zweckentfremdet und deshalb 1974 aus der Freimaurerei ausgeschlossen wurde. Dass die Geheimaktivitäten mit den Zielen einer Unterwanderung der Regierung und der Umgestaltung der Politik aber fortgesetzt wurden, zeigt u.a. die 1981 beschlagnahmte Mitgliederliste, auf der auch der Name Silvio Berlusconi auftaucht.
  7. Mafiaboss aus Corleone, erhält einflussreiche Positionen im Stadtparlament von Palermo (1970-71 Bürgermeister) und in der DC (Democrazia Cristiana): Zuerst ist er Anhänger des Fanfani-, dann des Andreotti-Flügels. Mehrfach von der parlamentarischen Antimafiakommission angeklagt wegen seiner engen Verbindungen zur Mafia, 79-82 werden seine politischen Gegner ermordet, darunter Piersanti Mattarella (Ministerpräsident) und Pio La Torre (Parteisekretär der Kommunistischen Partei). 1984 wird er wegen seiner Mafiaverbindungen verhaftet, 1992 definitive Verurteilung wegen Zugehörigkeit zur Mafia und vieler anderer Vergehen. In den Verhandlungen zwischen Staat und Cosa Nostra (der trattativa) hat er die Vermittlerrolle zwischen Politik und Cosa Nostra.
  8. Marcello Dell’Utri, von den Mafiosi immer „unser Landsmann“ genannt, ist seit den Jahren an der Universität enger Freund und rechte Hand von Silvio Berlusconi. Gemeinsam gründen sie und andere die neue Partei „Forza Italia“. Im Sommer 2014 ergeht das Urteil in letzter Instanz gegen den Senator der Berlusconi-Partei wegen Beihilfe zugunsten der Mafia. Er versucht, sich der Festnahme durch eine Flucht nach Beirut zu entziehen, wird dort aber festgenommen und an Italien ausgeliefert. Seitdem sitzt er im Gefängnis. Auch im Prozess zur trattativa ist Dell’Utri angeklagt und zu 12 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wird aber erst nach der dritten Instanz rechtskräftig.
  9. Inzerillo ist Mitglied der DC in Sizilien (1994 wird die DC in PPI umbenannt). Übrigens: Mitte Juli 2019 nahmen FBI und italienische Polizei 19 Personen, die zu den Clans Inzerillo und Gambino gehören, in Palermo fest.

 

 

 

 

 

Berlusconi e le bombe ‚affettuose‘ della mafia

Antimafiastaatsanwalt Gratteri: In Europa denkt man nur ans Geld

Nicola Gratteri, leitender Antimafia-Staatsanwalt aus Catanzaro (Kalabrien), schildert in einem Interview, das er vor kurzem in der Sendung „Circo Massimo“ Radio Capital gegeben hat, seine Sicht der aktuellen Lage im europaweiten Kampf gegen die Mafien.

Zunächst grenzt er sich dezidiert gegen den italienischen Innenministers Salvini ab, der behauptet hat, die Mafien endgültig zu besiegen, sei eine Frage von „wenigen Monaten“. Er sei da völlig anderer Meinung: Statt von einem Sieg spreche er lieber von einer Eindämmung des Phänomens OK. Wenn man unter Beachtung der italienischen Verfassung und mit einem anderen Justizsystem als dem jetzigen gegen die Mafien vorgehe, könne man in 10 Jahren 80% vernichtend schlagen. Aber, so betont er, dazu sei „ein starker Input von Seiten der Politik“ notwendig. Er sei seit 1986 als Staatsanwalt tätig und warte noch heute darauf, dass eine Regierung den Mafien den totalen Krieg erkläre. Dazu brauche es aber ein starkes Justizsystem, das von den Leuten an der Macht offensichtlich nicht gewollt sei, weil eine starke, unabhängige Justiz auch die politische Führungsriege kontrollieren könne, und die wolle eben nicht kontrolliert werden.

Dann kommt er auf die OK in Europa zu sprechen: „Für die Mafien ist Europa eine riesige Weide, auf der jeder grasen kann, wie er will. Ich ermittle in Belgien, in Deutschland und Holland und muss mich mit drei Justizsystemen auseinandersetzen um die Drogenhändler zu jagen, während die Mafiosi sich in diesen Ländern frei bewegen können“ als wären sie einfache Touristen. „Ich bin“, so fährt er fort, „für ein föderales Europa in Politik, Justiz und Wirtschaft. Aber in Europa spricht man nicht über Mafia, das einzige Thema sind die Wirtschaft und die Märkte.“ Und von dieser Nachlässigkeit im Umgang mit einem großen Problem hätten die Mafien in Europa profitiert. Beispiel `ndrangheta. Wenn man im Zusammenhang mit der kalabrischen Mafia nur an Norditalien denke, mache man einen großen Fehler. „Sie ist in Deutschland, Belgien, Portugal, Holland und Spanien fest verwurzelt.“ Gratteri spricht im Falle Europas also nicht mehr von Infiltration, sondern eindeutig von Verwurzelung!!

„Seit 10 Jahren nun ist die Eroberung Osteuropas durch die `Ndrangheta im Gang – und keiner sagt nur ein einziges Wort dazu. (…) Auch von Österreich spricht nie jemand, obwohl die ‚Ndrangheta sich dort frei und nach ihrem Belieben bewegen kann“. Als letztes Beispiel nennt er die City von London, ein Ort, an dem es kinderleicht sei, Geld zu waschen.

Der Staatsanwalt aus Catanzaro weiß, wovon er spricht. Aber in Europa hört keiner zu!
Antimafiaduemila
Capital.it

Die `ndrangheta bekämpft man
wie die anderen Mafien
mit Gefängnis unter verschärften Bedingungen und der Beschlagnahmung ihres Besitzes. – Nicola Gratteri
Lameziaoggi.it

Der Staatsanwalt Nicola Gratteri
mahnt: „Jungs, Mädels, macht euch kundig, studiert – dann machen wir sie fertig“
Diariealtro.it

 

 

 

by Paolo Calleri

 

Endlich! Der Sohn eines Camorra-Bosses distanziert sich!

Neapel: Meist liest man davon, dass sich
die Bevölkerung mit der Camorra solidarisiert und Kriminelle vor dem Eingreifen der Polizei schützt. Deshalb grenzen die Ereignisse der letzten Woche für den Beobachter von außen an ein Wunder:

Am 3.5.2019 werden in Neapel bei einer Schießerei am helllichten Tag und auf offener Straße 3 Personen verletzt: Rosario Piccirillo, Camorra-Boss, hat es auf einen Gegner abgesehen und gibt mehrere Schüsse ab. Dabei werden auch ein vierjähriges Mädchen und seine Großmutter verletzt, die am Tisch eines Straßencafés gesessen hatten. Das Kind schwebt immer noch in Lebensgefahr. Vertreter der Stadtregierung organisieren darauf mit Bürgern ein Sit-in mit dem Titel „Weg mit den Waffen in Neapel“, an dem mehrere Hundert Personen teilnehmen. In der Kundgebung meldet sich auch ein junger Mann zu Wort, der ein Spruchband mit einer eindeutigen Botschaft hochhält: „Die Camorra ist ein Haufen Scheiße“ (1). Er greift zum Mikrofon und outet sich als Sohn des für die Schießerei verantwortlichen Camorra-Bosses:

„Ich bin Antonio Piccirillo, Sohn von Rosario Piccirillo, der leider für sein Leben falsche Entscheidungen getroffen hat. Er ist ein Camorrista, das sagen mir jedenfalls die Medien, die Gerichte, die Zeitungen, die Institutionen. Ich habe eine Botschaft für uns, die Kinder von solchen Leuten sind: Liebt Eure Väter, aber distanziert euch auf jeden Fall von deren Lebensstil. (…) Andernfalls seid ihr vorverurteilt für Euer ganzes Leben. Wenn wir Kinder keine Schritte vorwärts in eine positive Richtung machen, bleiben wir in dieser Kultur stecken, die keine Vorteile hat, die ohne Ethik ist, ohne Werte, die einfach gar nichts bietet. (2) (Unverständliche Passage …) weil es Leute gibt, die behaupten, die Camorra von vor 50 Jahren sei besser gewesen als die von heute. Die Camorra ist ekelhaft, ist schon immer abscheulich gewesen. (…) Ich wende mich an brave Leute, an Leute, die Respekt vor anderen haben, während die Camorristi vor niemandem und nichts Respekt haben. (3) Ich danke euch vielmals und wünsche noch einen schönen Tag.“

Daraufhin wird der junge Mann von mehreren Medienvertretern interviewt. Daraus stammen die folgenden Zitate

„Das Leben eines Camorrista wird falsch beschrieben, z.B. in Gomorra (4), weil nur Ausschnitte eines solchen Lebens beschrieben werden. Ein Camorrista, auch wenn er als Krimineller große Erfolge vorweisen kann, ist ein Versager. Das Leben eines Camorrista ist ein Leben ohne Sinn, ein Hundeleben“

„Ich habe angefangen dieses Leben zu hassen, als ich mit der Schule fertig war. In der Grund- und Mittelschule hat mir meine Mutter ständig Lügen über meinen Vater erzählt. Einmal war er Bauunternehmer, dann Rechtsanwalt, in Wahrheit saß er im Gefängnis. Nach mehreren Jahren habe ich mich bei meinen Freunden entschuldigt, dass ich ihnen lauter Lügen erzählt hatte.“

„Wer die eigenen Kinder zu einem Leben voller Leiden verdammt, taugt zu nichts, taugt noch nicht einmal zum Vater. Ich will für mich und meine Kinder ein Leben, das diesen Namen verdient, ein Leben, in dem ich mich nicht verstecken muss, ein Leben, das ich erhobenen Hauptes führen kann!“

Bravo Antonio!

  1. Damit zitiert er einen Antimafia-Aktivisten der 70er Jahre, Peppino Impastato aus Cinisi in Sizilien, der am 9. Mai 1978 von Cosa Nostra ermordet worden ist.
  2. An dieser Stelle hört man „Nein“-Rufe aus dem Publikum
  3. Hier hört man Bravo- und Grazie-Rufe
  4. Buch über die Camorra von Roberto Saviano, inzwischen gibt es auch eine Fernsehserie mit dem gleichen Titel

Fragen zur Mafia Organisation Cosa Nostra?

Im Anschluss an das dreitägige Antimafia-Seminar in Buenos Aires erscheint auf der Internetseite „infobae“ ein Interview von Andrea Bonzo mit Nino Di Matteo, dem stellvertretenden italienischen nationalen Antimafia-Staatsanwalt


„Den Einfluss der Cosa Nostra im globalen Gesamtgefüge der Organisierten Kriminalität zu unterschätzen, wäre ein gravierender Fehler.“

 

 

Übersetzung

Seine Bodyguards lassen ihn keine Sekunde aus den Augen. Nino Di Matteo ist der bestbewachte Staatsanwalt Italiens. Die von ihm durchgeführten Ermittlungen und seine aktuellen Recherchen haben ihn zur Zielsscheibe Nr. 1 der einflussreichsten Bosse der sizilianischen Mafia gemacht: des vor kurzem verstorbenen Totò Riina und von Matteo Messina Denaro, der als sein Nachfolger gilt.

Di Matteo akzeptiert es nicht, als „Held“ bezeichnet zu werden trotz seines mehr als 20 Jahre währenden Kampfes gegen die Cosa Nostra. „Die Männer, die gegen die Mafia kämpfen, sind Leute, die lediglich versuchen ihre Arbeit zu machen, weil sie glauben, dass ihre Arbeit nützlich sein könnte für andere“ sagt er während des Interviews anlässlich des italo-argentinischen Seminars, das diese Woche (25.-27.März 2019) in Buenos Aires stattgefunden hat.

Als Staatsanwalt der italienischen nationalen Antimafia-Staatsanwaltschaft hat er Ermittlungen angestellt zu den Verhandlungen zwischen Vertretern des italienischen Staats und Cosa Nostra, die nach den Attentaten auf die Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1992 geführt worden sind. Die Ermittlungen führten im April 2018 zur Verurteilung von wichtigen Funktionären, Polizisten, Politikern und Mafiabossen. Seine Entdeckungen waren der Mafia, aber auch einigen Vertretern von Politik und Institutionen äußert unangenehm.

Ist die Cosa Nostra noch immer in der Lage, den italienischen Staat zu erpressen?

Solange eine Reihe von Morden auf höchster Führungsebene nicht vollständig geklärt ist, und dazu gehören auch die Attentate der Jahre `92 und `93, hat Cosa Nostra weiterhin die Macht, Institutionen zu erpressen und bleibt gefährlich. Wir dürfen eines nicht vergessen: Seit 1993 ist einer der Hauptvertreter dieser Zeit der blutigen Attentate, Matteo Messina Denaro, untergetaucht. Er weiß vermutlich, wer die Leute waren, die mit Cosa Nostra zusammengearbeitet haben, um diese Attentate zu planen, zu organisieren und durchzuführen, auch wenn sie selber nicht zur Organisation gehört haben.

Wie ist es möglich, dass Matteo Messina Denaro nach all diesen Jahren noch immer untergetaucht ist?

Die Geschichte des Untertauchens verschiedenster oberster Bosse der Mafia – Bernardo Provenzano war 43 Jahre unauffindbar, Riina mehr als 20, bei Messina Denaro sind es jetzt 26 – zeigt, dass viele von ihnen noch auf Komplizen auf den höchsten Ebenen der Institutionen zählen. Unterzutauchen gelingt nicht nur, weil jemand besonders fähig ist, zu flüchten. Der Prozess zur Trattativa (1) hat gezeigt, dass diese „Ehrenmänner“ Protektion aus den Institutionen hatten.

Manche sagen, dass die Festnahme von Messina Denaro unmittelbar bevorsteht. Stimmt das?

Ich möchte lieber keine Vorhersagen machen. Man hofft, dass mit seiner Festnahme ein Kapitel zu Ende geht, das immer noch eine Last und beschämend für unser Land ist.

Andererseits sind in den letzten Jahren viele andere Mafiabosse festgenommen worden. In welcher Situation befindet sich die Cosa Nostra nach all diesen Festnahmen?

Wer die Geschichte dieser Mafia-Organisation kennt, weiß, dass es schon immer Phasen von häufiger und brutaler Gewaltanwendung gab und solche von scheinbarer Ruhe. Hinter der Ruhe versteckt sich oft das Interesse, unauffällig zu bleiben, um sich den Geschäften widmen und in kritischen Phasen zugleich die Struktur der Organisation wieder neu ordnen zu können. Ich glaube, dass Cosa Nostra heute nicht im mindesten besiegt ist. Morde und gewalttätiges Vorgehen sind in den letzten Jahren weniger geworden. Aber Cosa Nostra bleibt immer das, was sie ist: Sie ist bestrebt, sich immer wieder neu aufzubauen und dabei den alten Regeln zu folgen. Ich persönlich kann nicht ausschließen, dass in den nächsten Jahren wieder die Strategie des brutalen Angriffs auf Staat und Institutionen eingesetzt wird.

Wie kommen Sie darauf?

Weil ich die Geschichte der Cosa Nostra kenne. 1963, nach der Festnahme vieler Bosse aus Palermo, glaubte man, Cosa Nostra sei vollständig vernichtet und zerstört. Aber in wenigen Jahren, von 1970 an, demonstrierte die Organisation ihre unglaubliche Macht und begann einen Aufstieg, wie man es in der ganzen Welt vorher nie gesehen hatte. Und das nicht nur, weil sie Vertreter der Führungsebene umbrachte – Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Carabinieri, Beamte der Steuerfahndung, Politiker, Gewerkschafter, Journalisten – sondern auch weil sie es schaffte, Beziehungen zu den höchsten Kreisen der regionalen und nationalen Politik herzustellen. Deshalb dürfen wir die Mafia nie unterschätzen: Verglichen mit anderen kriminellen Organisationen hat sie immer bewiesen, wie fähig sie ist, sich so zu tarnen, dass sie Beziehungen zu den Mächtigen pflegen kann.

Sie sind der Staatsanwalt, der im Augenblick in Italien dem größten Risiko ausgesetzt ist. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Es sind jetzt 25 Jahre, dass ich mit Personenschutz lebe. In den letzten Jahren ist die Gefährdungslage um vieles heraufgesetzt worden, weil 2013 einige abgehörte Unterhaltungen die Absicht Totò Riinas enthüllten, mich umzubringen und weil andere, Kronzeugen, davon sprachen, es sei ein Projekt im Gang und man habe den Sprengstoff dafür schon beschafft. Dies hat zu einer unerträglichen Aufstockung des Schutzes geführt.

Haben Sie die Unterstützung der Institutionen und der Zivilbevölkerung?

Der Staat und die Institutionen haben auf die bestmögliche Art reagiert. Ich bin vor allem den Carabinieri unendlich dankbar, die meinen Schutz garantieren. Ich habe ebenfalls Unterstützung von einem wichtigen Teil der Zivilgesellschaft erhalten, auch von Schülern, Studenten, Bürgern im Allgemeinen. Allerdings sind in den Jahren, als ich an den Ermittlungen zu den Verhandlungen zwischen Staat und Mafia und in dem Prozess arbeitete, der sich daraus ergab, einige Staatsvertreter und Politiker in voreingenommener und dogmatischer Weise auf Distanz gegangen. Sie versuchten, diesen Ermittlungen ihre Berechtigung abzusprechen und sie lächerlich zu machen. Sie warfen mir und meinen Kollegen vor, wir wollten sie für politische Zwecke nutzen. Nach den fünf Jahren, die der Prozess dauerte, und als das Gerichtsurteil festlegte, dass die Hypothese der Anklage fundiert war, haben sie die Strategie geändert. Man bestreitet nicht mehr, dass der Prozess legitim war, sondern man schweigt ihn tot: Man spricht einfach nicht darüber. Es ist so, als ob sich eine Mauer des Schweigens auf eine Geschichte herabgesenkt habe, die zu kennen die italienischen Bürger doch das Recht haben.

Was empfanden Sie, als Riina 2017 starb?

Ich weiß, was ich in diesem Moment sagte und empfunden habe: Ich dachte, es wäre nicht korrekt, den Tod eines Mannes zu kommentieren. Dasselbe mache ich heute.

Sie haben gesagt, dass die Mafia an manchen Orten nicht mehr drohen oder auf Gewalt-anwendung zurückgreifen muss, weil es die Gesellschaft selber ist, die ihre „Serviceleistungen“ nachfragt. Wird man mit dieser Einstellung eines Tages das Phänomen ausrotten können oder ist der Kampf schon verloren?

Es ist schwer zu akzeptieren, dass ein ziemlich bedeutender und wichtiger Teil der Gesellschaft schon so weit ist, die Mafia als unvermeidliches Übel zu akzeptieren, mit dem man zusammenleben muss. Ohne diesen Teil, der tatenlos zuschaut und nur allzu bereit ist, das Vorgehen der Mafia zu akzeptieren, wäre sie schon längst ausgerottet. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass Falcones Prophezeiung sich erfüllen wird. Er sagte, dass die Mafia wie alle anderen menschlichen Phänomene ebenfalls ein Ende haben würde. Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen können. Aber genauso überzeugt bin ich davon, dass dies nur geschehen kann, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Die erste Bedingung ist, dass die Politik sich ändert: Die Regierungen müssen begreifen, dass der Kampf gegen die Mafia zur absoluten Priorität auf ihrer Agenda werden muss. Die andere muss von unten kommen: Es muss eine kulturelle Revolution geben, die, angefangen bei den jungen Leuten, die mafiöse Mentalität eliminiert. Die Mentalität, dass man dem folgt, der die Macht hat, des ständigen Austauschs von Gefälligkeiten, der Empfehlungen durch einen Mächtigen, der Lobbys. All die Dinge, von denen man glaubt, sie könnten einem selber Macht verschaffen, und die im Gegenteil die Rechte und die Sicherheiten der schwächsten Bürger einschränken.

Wie kann man eine solche Revolution erreichen?

Dabei ist die Schule wichtig, aber ich glaube auch an die Diskussionen, die man für die Bürger organisiert. Die Bürger müssen die physische Nähe der Leute spüren, die gegen die Mafia kämpfen, damit sie begreifen, dass sie nicht anders sind als sie: Sie sind keine Helden, sondern einfach Leute, die ihre Arbeit machen wollen, weil sie glauben, dass diese Arbeit nützlich sein kann für die anderen. Auch der Kampf gegen die Mafia muss zu einem Kampf des Volkes werden, nicht nur zu einem Kampf, der angeführt wird von den Institutionen, die für deren Bekämpfung zuständig sind.

Welche Rolle spielt im Augenblick Cosa Nostra in Lateinamerika?

Die `ndrangheta (2) unterhält vermutlich direkte Kontakte mit den kolumbianischen und mexikanischen Kartellen und dem organisierten Verbrechen in Südamerika. Wir dürfen aber nie vergessen, dass Cosa Nostra bevorzugte Kontakte zu den Mafiafamilien in den Vereinigten Staaten hat und dass diese Familien Einfluss nehmen können auf die kriminellen Strategien, sogar auf die der Kartelle in Südamerika. Neulich wurde Frank Cali in New York umgebracht, der zur Familie Gambino gehört. Vor einigen Jahren ergaben haben Ermittlungen ergeben, dass die Gambino die Verbindung zu den Mafiosi von Palermo waren. Ich glaube, die Geschichte der Cosa Nostra, ihren Einfluss und ihre Macht im globalen Gesamtgefüge der organisierten Kriminalität zu unterschätzen, wäre ein gravierender Fehler.

  1. Der Prozess zur trattativa untersuchte die Zeit der blutigen Attentate 1992-93, in denen Vertreter des italienischen Staates in Verhandlungen mit Cosa Nostra traten, um zu erreichen, dass die“ Strategie der blutigen Attentate“ beendet würde. Verhandlungsziel der Cosa Nostra war eine Revision der Urteile des Maxiprozesses und der Antimafiagesetzgebung
  2. Die italienische Mafia, die ursprünglich aus Kalabrien stammt

di AMDuemila
Al processo Gotha le rivelazioni del pentito che ricorda anche i Moti di Reggio

Erstes Italo-Argentinisches Antimafia-Seminar in Buenos Aire

Der argentinische Präsident Mauricio Macri
eröffnet das Antimafia-Seminar in Buenos Aires

Vom 25. Bis 27. März 2019 fand im argentinischen Parlament von Buenos Aires der erste Antimafia-Kongress statt, zu dem zahlreiche italienische Experten vor allem aus der Justiz geladen waren, darunter der nationale Antimafia-Staatsanwalt Federico Cafiero De Raho und der stellvertretende nationale Antimafia-Staatsanwalt Antonino Di Matteo. Für die Berichterstattung waren anwesend der Direktor von Antimafia Duemila, Giorgio Bongiovanni, und der Journalist (ebenfalls von Antimafia Duemila) Jean Georges Almendras (1)

In seiner Eröffnungsrede betonte der argentinische Staatspräsident Mauricio Macri, dass das argentinische Volk und die Regierung beschlossen hätten, Ernst zu machen mit dem Kampf gegen die Mafien und dass „Schluss sein muss mit Lügen, Korruption und Mafia.“ Dieses Antimafia-Seminar sei Ausdruck dieser Absichten.

Auf dem Programm standen mehrere Einzelthemen, zu denen die Vorträge der italienischen Experten einen Beitrag leisten sollten. Hier nur einige Blitzlichter:

Nino Di Matteo beschreibt die besondere Macht der Cosa Nostra

Cosa Nostra sei seiner Meinung nach die mächtigste Mafia, die wie keine andere zahlreiche Vertreter der italienischen Institutionen umgebracht hat: Bei den Beispielen beschränkt er sich auf die getöteten Antimafiarichter Falcone, Borsellino, Scaglione, Costa, Chinnici, Saetta und Livatino. In ihrer 150-jährigen Geschichte habe sich die Cosa Nostra vor allem durch ihre Fähigkeit, Beziehungen zur Politik aufzubauen, hervorgetan. Hier verweist er auf die Prozesse Andreotti und Marcello Dell’Utri und erwähnt, dass in jüngerer Zeit auch zwei sizilianische Ministerpräsidenten unter den Verurteilten seien. Salvatore Riina werde von mehreren Kronzeugen so zitiert: „Riina sagte immer, wenn wir die Beziehung zur Politik nicht gehabt hätten, wären wir lediglich eine Bande von Schakalen und der Staat hätte uns mit einer normalen Polizeioperation geradezu zerquetscht.“ Dies zeige, wie zentral diese Beziehungen für die Mafia seien. Die Vertreter der Institutionen müssten endlich begreifen, dass es nicht genug sei, begangene Verbrechen zu bestrafen, sondern man müsse jede Möglichkeit unterbinden, Beziehungen zur Politik und den Institutionen aufzubauen. Die Lage in seinem Land habe allerdings dazu geführt, dass Italien eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Mafia spiele, was die entsprechende Gesetzgebung und die höchstentwickelte Professionalität von Justiz und Polizei angehe.

Mit Blick auf die starke Verbindung Politik-Cosa Nostra erklärt Di Matteo später auch Giovanni Falcones Idee, den Tatbestand „Beihilfe“ auch bei Mafia-Verbrechen einzuführen (der sog. concorso esterno in associazione mafiosa). Der erste, der mit dem Vorwurf der Beihilfe in Palermo angeklagt wurde, war Vito Ciancimino, ein ehemaliger Bürgermeister von Palermo, der über lange Jahre hin bis zu den Attentaten von 1992 (gegen Giovanni Falcone und Paolo Borsellino) die Hauptverbindung zwischen dem Corleoneser Zweig der Cosa Nostra und wichtigen Vertretern der Politik – innerhalb und außerhalb Siziliens – darstellte. Nach und nach sei die Tragfähigkeit der Anklage der Beihilfe auch bei Mafia-Prozessen von anderen Gerichten bis zum höchsten Gericht, der sog. Cassazione, anerkannt worden. In einem Urteil aus dem Jahre 2003 definiert das Kassationsgericht den „Partner von außerhalb“ so: Jemand, der „auch wenn er nicht Mitglied der Organisation sein wollte, einen konkreten, spezifischen Beitrag von gelegentlicher oder andauernder Art leistet, der effektiv zu Bewahrung und Stärkung der Organisation beiträgt – auch im Falle, dass es nur ein Zweig der gesamten Organisation ist.“ (1)

Die Reden der argentinischen Politiker: in erster Linie Regierungs-Propaganda

Die Ministerin für Sicherheit, Patricia Bullrich, lobt, so berichtet der Journalist Almendras, die Erfolge ihres Ministeriums im Kampf gegen die Drogenbosse, leugnet aber die Anwesenheit der `ndrangheta in Argentinien: „In den letzten drei Jahren ist kein einziger Fall von Drogenhandel zwischen argentinischen und europäischen Häfen entdeckt worden!“ Und sie fährt fort: „Wir werden ihnen nicht erlauben, sich in Argentinien festzusetzen.“

Auf die Beiträge von Laura Alonso, Direktorin des Antikorruptionsbüros geht Almendras ausführlich ein, da ihre Rede nichts anderes als schamloser Wahlkampf gewesen sei, was bei den italienischen Gästen zu sichtbarer Irritation geführt habe. Als der Moderator im Anschluss an ihre Rede das Publikum auffordert, Fragen zu stellen und Giorgio Bongiovanni nach den Maßnahmen der Regierung und besonders des Innenministeriums fragt, die den enormen Kokain-Handel zwischen italienischer Mafia und den argentinischen Narcos unterbinden könnten, lehnt Alonso es zuerst ab, die Frage überhaupt zu beantworten, da sie nicht in ihre Kompetenz falle. Als der Fragensteller sich damit aber nicht zufrieden gibt, hält sie eine minutenlangen Lobeshymne auf die unglaublichen Erfolge des Sicherheitsministeriums, bis die vorgesehene Zeit für Fragen verstrichen ist. Wie ein solches Verhalten einzuschätzen ist, das ist für Almendras offensichtlich: Ihre Beiträge seien reine Regierungs-Propaganda gewesen und völlig unpassend für ein internationales Antimafia-Seminar. In ihrer Rede habe sie ein Problem von enormen Dimensionen verfälscht, kleingeredet und damit die italienischen Gäste in Verlegenheit gebracht.

Resumée:

Zum Abschluss der Tagung fragen die Vertreter von Antimafia Duemila den Staatsanwalt Di Matteo nach seiner Einschätzung. Der äußert sich einerseits zufrieden, dass Erfahrungen und Wissen ausgetauscht wurden. Andererseits verlange ein ernsthafter Kampf gegen Korruption und Mafia die Unabhängigkeit von Staatsanwälten und Richtern, die in Argentinien und anderen latein-amerikanischen Ländern von der Politik und/oder vom Staatspräsidenten nominiert werden. In welcher Lage befinde sich also ein Staatsanwalt, der gegen einen Politiker ermitteln muss, dem er seinen Posten verdankt?

Nach der Bedeutung des Journalismus für den Kampf gegen die Mafia gefragt, sagt Di Matteo: „Mafia und kriminelle Systeme müssen erzählt, müssen erklärt werden. Die Arbeit der Journalisten ist entscheidend – vor allem, wenn der Journalismus selbstständig ermittelt und sich nicht darauf beschränkt, die Ergebnisse von Polizei-Operationen oder Prozessen zu zitieren. Sie ist entscheidend, wenn der Journalist in der Lage ist, selber Wahrheiten herauszufinden, die noch nicht in Prozessakten festgeschrieben sind. Ernsthafter, mutiger, investigativer Journalismus ist ungeheuer wichtig im Kampf gegen mafiöse und korrupte Systeme, wenn er, wie die Staatsanwaltschaft, frei und unabhängig ist.“

Zuletzt stellt der argentinische Parlamentsabgeordnete Ferdinando Alfonso Iglesias die argentinische „Kampagne für die Schaffung eines Strafgerichtshofes für Lateinamerika und die Karibik gegen die transnationale OK“ vor (COPLA). Und die Organisatoren kündigen eine Folgeveranstaltung für 2020 an.

  1. Andere italienische Zeitungen bringen nichts über diesen Kongress
  2. Diese Erklärung des Staatsanwalts scheint mir wichtig, da in Italien vereinzelt, aber vor allem auf europäischer Ebene manchmal behauptet wird, ein solcher Straftatbestand existiere nicht, sei bloße Erfindung der Italiener.

Ambbuenosaires.esteri.it

I’m considering a career in organized crime

„Sternstunde des Parlaments“: Bundestag beschließt Geschäftsgeheimnis-Gesetz

Der Bundestag hat das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen verabschiedet. Die Abgeordneten hatten zuvor gegen den Willen der Regierung einen starken Schutz von Journalisten und Whistleblowern durchgesetzt.

Justus von Daniels und Jonathan Sachse berichten

Trotz einiger Bedenken des Bundesjustizministeriums hat der Bundestag am Donnerstag kurz vor Mitternacht das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen beschlossen. Das Gesetz war zunächst umstritten: es drohte, sowohl Whistleblower als auch Journalisten in ihrer Arbeit zu kriminalisieren.

Die Fraktionen der Großen Koalition und die Grünen bekannten sich jetzt zu einem starken Schutz für Journalisten und mehr Rückhalt für Whistleblower…Correctiv

Stuttgart 21. und die Mafia in Deutschland

Die Mafia in Deutschland Stuttgart 21.

Petra Reski 31. JANUAR 2019
Neulich war ich in Stuttgart. Eingeladen zur 450. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21, dem Lieblingsprojekt von Lobbyisten und Politikern jeder Couleur – das erstaunlich viele Parallelen zu Großprojekten in Italien aufweist (die Expo, die Hochwasserschleuse Mose, etc. pp.) – hatte mich die Fraktionsgemeinschaft SOS Linke Plus. Meine Rede können Sie hier nachlesen: Von Italien aus gesehen ist Stuttgart 21 ein De-ja-Vu-Erlebnis, weil einiges an die Expo in Mailand 2015 erinnert, die ungeachtet aller Warnungen von Antimafia-Staatsanwälten von der Mafia unterwandert werden konnte: Obwohl 60 Bauunternehmen ausgeschlossen wurden, weil bei ihnen Verbindungen zur Mafia nachgewiesen werden konnten, wissen wir heute, dass die Expo DAS Bauprojekt der kalabrischen Mafia war: „70 Prozent der Aufträge gehören uns“, rühmten sich die Bosse.

Jetzt könnte man sagen: Ja, so ist das eben in Italien. Aber wie ist es denn hier in Deutschland? Wo es anders als in Italien kein Antimafia-Verzeichnis einschlägiger Lieferanten, Dienstleister und Bauunternehmer gibt, die nachweislich keinen Unterwanderungsversuchen der Mafia ausgesetzt sind? Wo es keine Antimafia-Informationen gibt, die bei den Präfekturen hinterlegt und regelmäßig überprüft werden?

Ja, die Eindringlichkeit, mit der in Deutschland ein Netzwerk aus Politikern, Unternehmern und Wissenschaftlern das Projekt „Stuttgart 21“gegen alle Bürgerproteste verteidigt hat und noch weiter verteidigt, macht misstrauisch. Es sind Bürger, die keinen Vorteil darin sehen wollen, wenn ein Bahnhof unter der Erde verschwinden soll, damit aus siebzehn Gleisen acht werden. Bürger, die anprangern, dass es sich bei Stuttgart 21 um keine verkehrstechnische Notwendigkeit, sondern um ein städtebauliches Projekt und um einen Immobilientraum handelt: eine Fläche von 100 Hektar im Herzen von Stuttgart: Bauplatz für Büros, Wohnhochhäuser, Einkaufszentren, Restaurants, Parkplätze. Eine Investitionssumme von rund zehn Milliarden Euro – und das in einer Region, die seit den 1960er Jahren als Hochburg der ‚Ndrangheta gilt.

Die kalabrische Mafia kam im Gefolge der anständigen italienischen Gastarbeiter nach Deutschland, wurde in den 1970er Jahren mit den Entführungen norditalienischer Industrieller reich, investierte ihre Gelder in den Drogenhandel und in Immobilien in Deutschland und kontrolliert heute den Kokainhandel weltweit. Und ist mit ihren geschätzten knapp 53 Milliarden Euro Jahresumsatz die reichste und damit auch gefährlichste italienische Mafiaorganisation.

Wenn es um Großprojekte des Städtebaus geht, um öffentliche Aufträge, Bauplätze, Immobilien, neue Büros, Wohnhochhäuser, Einkaufszentren – denkt in Italien jeder zuallererst an die Begierde, die ein solches Projekt bei den Mafiaclans auslöst. Öffentliche Aufträge in die eigenen Taschen umzuleiten, ist die Königsdisziplin der Mafia, das gilt heute nicht mehr nicht nur für Italien, sondern auch für Deutschland. Es gibt keine Grenzen mehr in Europa. Deshalb sind die Mafiosi übrigens auch die überzeugtesten Europäer.

Und dennoch gilt in Deutschland: Ruhe ist oberste Bürgerpflicht. Weshalb in Deutschlands Gerichten selbst die Baumafia nicht als solche bezeichnet wird, sondern als »bandenmäßig organisierte Struktur, die in gewerbsmäßiger Art und Weise in großem Umfang Steuern hinterzieht und den Sozialversicherungsträgern hohen Schaden zu fügt«. Obwohl hinreichend dokumentiert ist, wie Scheinfirmen und Schwarzarbeiterkolonnen innerhalb weniger Wochen Millionengewinne machen, obwohl kein anständiger Bauunternehmer im Wettbewerb mit diesen mafiosen Unternehmen bestehen kann, drücken die großen deutschen Bauunternehmer auch heute noch beide Augen zu, wenn sie den Auftrag an den billigsten Subunternehmer vergeben, obwohl sie genau wissen, dass der nicht mit legalen Mitteln ausgeführt werden kann, weil die erforderliche Menge Stahl oder Beton einen bestimmten Weltmarktpreis hat. Den man mit legalen Mitteln nicht unterschreiten
kann. In Italien hingegen lösen Dumping-Preise bei den Angeboten automatisch Antimafia-Ermittlungen aus.

Aber: Heuchelei ist bis heute nicht strafbar in Deutschland.

Und genau das wissen die Bosse.
„Waschen, waschen, hier geht es nur um die große Wäsche, und es gibt hier nur diese Wäscherei in Deutschland!” sagte der Boss – nachzulesen in den Ermittlungsakten der Verhaftungsaktion „Styx“ vom Januar letzten Jahres, als 186 Mafiosi verhaftet wurden, 11 davon in Deutschland. Darunter der stadtbekannte Mario L., der mit seiner Freundschaft den damaligen Ministerpräsidenten und heutigen EU-Kommissar Oettinger in Bedrängnis brachte. Sie alle hier werden sich daran erinnern, dass den verhafteten Mafiosi Nichtigkeiten wie versuchter Mord, Erpressung, Geldwäsche und Verstoß gegen das Waffengesetz, internationale Kfz-Verschiebung, illegaler Handel und illegale Verschiebung von Müll bis hin zu unlauterem Wettbewerb vorgeworfen wurde. Und dass die Ndranghetisti, speziell der in Baden-Württemberg herrschende Clan Farao, ein Monopol auf ganze Wirtschaftszweige ausübte, darunter die Herstellung und der Verkauf von Lebensmitteln. Egal ob Fisch, Wein oder Pasta: Sie zwangen die italienischen Restaurants zur Abnahme ihrer Waren. Der gesamte Fischmarkt im Stuttgarter Raum: ein Monopol des Clans Farao. Alle italienischen Restaurants unter der Kontrolle der Clans der Ndrangheta.

Dass es der Ndrangheta aber um weit mehr geht, zeigte sich bei der Europawahl 2008, als der Ndrangheta-Clan Arena mit Unterstützung des Clans Farao in Stuttgart und Umgebung dafür sorgte, dass die Stimmen der italienischen Gemeinschaft dem Senator Nicola Di Girolamo zugute kamen – der 2010 festgenommen und bald darauf als Angeklagter des Fastweb-Geldwäscheskandals verurteilt wurde, eines der größten Betrugsskandale, der selbst die skandalgewöhnten Italiener überraschte. Und als im Herbst vor zwei Jahren 37 Mafiosi des sizilianischen Clans Rinzivillo verhaftet wurden, befanden sich zwei Clanmitglieder in Deutschland, wo sie nicht nur Drogengeschäfte, sondern auch Restaurants betrieben und sich für Bauprojekte und Feinkostgeschäfte interessierten – in schönster Eintracht mit dem in das Duisburger Mafiamassaker verwickelten kalabrischen Clan Strangio aus San Luca. Vordergründig ging es um den florierenden Kokainhandel und um die Ausweitung des von der Cosa Nostra kontrollierten Fischhandels nach Deutschland – der Fischhandel war jedoch lediglich die Kulisse für ein viel ernsteres und bedeutenderes Geschäft: die Geldwäsche.

Da ging es um große Investitionen in das Bauprojekt Stuttgart 21, um Geschäfte mit Outlets und Supermarktketten, um sechs Millionen Euro, die in eine in Deutschland ansässige Firma für Medizintechnik investiert werden sollen: Geldwäsche unter Zuhilfenahme eines Mittelsmannes, eines Italieners, der in Baden-Württemberg aufgewachsen ist, das uneingeschränkte Vertrauen des Bosses genoss und der in gewissen Finanzkreisen ein- und auszugehen schien. Und der die Sizilianer darauf aufmerksam machte, wie hilfreich es bei den Bauprojekten ist, dass in Deutschland, anders als in Italien bei den Bauunternehmern keine Antimafia-Kontrollen durchgeführt werden – damit also Unternehmer, die in Italien bereits Vorstrafen wegen Begünstigung der Mafia haben, in Deutschland ohne Weiteres
ungestört arbeiten können.

Aber offenbar betrachten viele deutsche Politiker die Geldwäsche immer noch als Konjunkturankurbelungsprogramm. Anders ist es nicht zu verstehen, dass die Bundesregierung zugibt, wie in der letzten Transparency-Studie nachzulesen ist, keinen „Gesamtüberblick über mutmaßliche Tätigkeiten und Investitionen“ durch italienische Mafiagruppen zu haben. Es gebe nur „vereinzelt Informationen“ darüber, dass mutmaßliche Mitglieder in Gastronomie, Hotellerie und Bauwirtschaft Investitionen getätigt haben. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass in Deutschland, einem Land, in dem, wie Geldwäscheexperten in einer Studie im Auftrag des Finanzministeriums bekannt gaben, pro Jahr jährlich mindestens 100 Milliarden Euro gewaschen werden, neuerdings der Zoll für die Verdachtsmeldungen wegen Geldwäsche zuständig ist. (FIU Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen. Und beim Zoll wurde nicht nur das Personal halbiert, sondern er hat auch keinen Zugriff auf polizeiliche Daten, weshalb er nicht beurteilen kann, ob es im Verdachtsfall um organisierte Kriminalität oder Terrorismus geht. Somit muss in jedem Verdachtsfall doch wieder die Polizei befragt werden – wodurch, wie der Bund deutscher Kriminalbeamter feststellte, die Geldwäschebekämpfung nahezu komplett an die Wand gefahren wurde.

Hinzu kommt, dass die Bauwirtschaft (Bauträger, Projektentwickler, Architektinnen und Architekten) überhaupt keinen Geldwäsche-Meldepflichten unterliegt. Eine Studie im Auftrag des BKA von 2012 kam sogar zu dem Schluss, dass „ein wesentlicher Teil des Immobiliensektors“ nicht den Regelungen des Geldwäschegesetzes unterliege.
So konnte sich auf den Baustellen eine parallele Wirtschaftswelt etablieren, die aus Sub-Sub-Subunternehmerketten, Scheinrechnungen, Scheinentsendungen, Scheinfirmen und Menschenhandel besteht. Dahinter verbergen sich keine tumben Mafiabosse, sondern Expertisen bei Spezialisten, bei ehemaligen FIU-Angestellten, Compliance-Angestellten von Banken, Rechtsanwälten und Notaren.

Zum Schluss möchte ich noch daran erinnern, dass die Mafiarazzia 2018 den schönen Namen „Styx“ trägt, womit in der griechischen Mythologie der Fluss der Unterwelt bezeichnet wird, was ja nicht nur im Zusammenhang mit einem Bahnhof, der in die Unterwelt verlegt werden soll, eine schöne Parallele ist, sondern auch in Bezug auf die Mafia. Überhaupt die Unterwelt: Als vor einigen Jahren die Ermittlung um die römische Hauptstadtmafia bekannt wurde, lieferte einer der verhafteten Mafiosi in einem abgehörten Telefonat die wohl passendste Definition der Mafia der Moderne: „Das ist die Theorie der Zwischenwelt. Oben sind die Lebenden und unten sind die Toten, und wir sind dazwischen. Wir sind dazwischen, weil auch die Personen, die sich in der oberen Welt befinden, ein Interesse daran haben, dass jemand aus der unteren Welt Sachen erledigt, die niemand anderes machen kann. Das ist es: Alles vermischt sich miteinander. “
Und das nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland.

STUTTGART 21. EINE HOCHBURG DER MAFIA IN DEUTSCHLAND IST STUTTGART

Stuttgart 21 würde Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern, lautet eine besonders dreiste Begründung für das Projekt, Milliarden in einen unterirdischen Engpass zu verbuddeln. Nun wo die Fertigstellung des ECE-Einkaufstempels absehbar wird, ließ die Stadt die Katze aus dem Sack: 25 Prozent mehr Verkehr soll künftig über die Heilbronner Straße in die Stadt rollen. ..Kontext

Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Kalabrien dehnt sich aus bis nach Stuttgart, Frankfurt, Offenbach und Berlin

Welche Rolle spielt dabei Mario L.?

2018 hat es in Deutschland zwei Großrazzien gegen italienische Mafien gegeben: die Operationen „Stige“ im Januar und „Pollino“ im Dezember Die italienischen Staatsanwälte haben inzwischen offensichtlich die Ergebnisse ihrer Ermittlungen veröffentlicht. Am 7.1.2019 erscheint dazu der folgende Artikel von Francesca Panfili auf der Homepage von Antimafiaduemila: Da im deutschsprachigen Internet dazu nichts zu finden ist, hier die Übersetzung des italienischen Artikels:

Wie die `Ndrangheta Fuß gefasst hat in Deutschland

Ermittlungen enthüllen die Macht der kalabrischen Organisierten Kriminalität

Es gibt einen roten Faden, der Deutschland mit Kalabrien verbindet und leider handelt es sich dabei oft um die massive Präsenz der `Ndrangheta in Deutschland. Dabei sieht man, wie die italienischen Mafien jedes Jahr Millionen von Euro jenseits der Alpen investieren, was nicht nur den Schätzungen des deutschen Justizministeriums entspricht, sondern auch von den jüngsten Ermittlungen bestätigt wird, die die Bezirksstaatsanwälte von Catanzaro und Reggio Calabria zur Rolle der italienischen Mafien in Deutschland angestellt haben.

In einem Artikel der Gazzetta del Sud hat der Journalist Arcangelo Badolati (1) betont, dass aus diesen Ermittlungen klar hervorgeht, dass die italienischen Mafia-Clans sich nach dem blutigen Attentat von Duisburg am 1. August 2007 neu aufgestellt haben und sich dabei wieder der gleichen Strategie eines kapillaren Eindringens in deutsches Territorium bedient haben. Dies geschieht durch Geldwäsche und die Erfassung von Einzelhandelsgeschäften, die von Familien der Clans geführt werden – Restaurants, Bars, Eisdielen und Pizzerien – und die von den riesigen Gewinnen aus dem Drogenhandel finanziert werden. Die letzte Razzia, die von der nationalen Antimafia-Direktion koordiniert wurde, hat zur Festnahme von ca. 10 Angehörigen kalabrischer Clans geführt, die im Bereich des Berliner Bundestags und auf internationaler Ebene aktiv waren. In seinem Artikel erinnert Badolati daran, dass schon die beiden Staatsanwälte Giovanni Bombardieri und Giuseppe Lombardo vergangenen Dezember von den Geschäften der italienischen Mafien auf deutschem Boden gesprochen und Folgendes erklärt hatten: „Es wurden im Ausland die Unternehmen identifiziert, die von verschiedenen Mitgliedern etablierter `ndrangheta-Familien gegründet worden sind und die vor allem im Herzen der Locride operieren: internationaler Drogenhandel, Geldwäsche, Reinvestition beträchtlicher Finanzströme vor allem in den kommerziellen Bereich und in die Gastronomie. Dabei können sie auf Logistik-Zentren zählen, die nicht nur in Kalabrien, sondern auch in anderen italienischen Regionen, in Holland und Deutschland ihren Sitz haben und die jeweils mit einer richtigen Fahrzeugflotte ausgestattet sind, um das Kokain nur ja an sein Ziel zu bringen.“

Das gleiche Szenario ergaben auch die Ermittlungen der beiden Staatsanwälte Nicola Gratteri und Vincenzo Luberto, die die Rolle der Clans aus Cirò und der ionischen Ebene von Cosenza untersuchten und wissen wollten, welche Verbindungen zu Deutschland bestehen. Die Operation von Staatsanwaltschaft und Polizei ergab, dass es ein enges Netz von wirtschaftlichen Verbindungen gibt, das diesen Teil Italiens mit Deutschland verbindet – und dies erfolgte durch die Vermittlung eines Herrn mit Namen Mario L., bekannt durch seine Beziehung zum mächtigen Clan der Farao-Marincola aus Cirò. Gegen L. war schon in den 90er Jahren ermittelt worden, aber dann wurde er freigesprochen (2). Von seiner Rolle sprachen auch mehrere Kronzeugen wie der Sizilianer Gioacchino Sghembri und Domenico Critelli, der inzwischen verstorbene Boss von Cariati, bekannt unter dem Spitznamen Saragat.

Diesmal soll Mario L. die Ausdehnung des Handels und den Export von Produkten der `ndrangheta-Familien auf deutschem Boden gefördert haben und den Erwerb dieser Produkte den italienischen Restaurants und Pizzerien aufgezwungen haben. (3) Zu diesem Zweck habe er sich eines von ihm inspirierten Vereins bedient, der als A.r.m.i.g bekannt ist, der die verschiedenen gastronomischen Betriebe zwischen Frankfurt, Offenbach und Baden-Württemberg erfasst. Die Staatsanwälte Nicola Gratteri und Vincenzo Luberto sind der Meinung, „Don Mario“ habe diesen Verein dazu benutzt, die Interessen der Clans aus Cirò zu befördern. In abgehörten Telefonaten rühmte er sich, mit diesen Clans befreundet zu sein: „Das ist meine Familie“ sagte L. in den abgehörten Telefonaten, in denen er auch provozierende Äußerungen über Staatsanwälte und Behördenvertreter machte. Mario L. Projekt habe sich nicht nur auf den Verkauf von Lebensmitteln und Weinen von claneigenen Firmen in Cirò beschränkt, sondern er habe seine Aktivitäten auch auf den deutschen Tourismus ausgedehnt – in Städten wie Cariati, Rossano und Mandatoriccio, wo seine „amici“ Hotels und Restaurants besitzen. 2017 gelang es Mario L., den Bürgermeister von Offenbach und Führungskräfte der dortigen Tourismus-Behörde dazu zu bringen, eine Rundreise durch das östliche Kalabrien zu unternehmen, um neue Kooperationen zu vereinbaren und um die deutschen Behördenvertreter davon zu überzeugen, Rundreisen und Ferien in diesen von den Clans Farao und Marincola kontrollierten Orten zu organisieren. Über diese Familien, die schon seit den 90er Jahren in Deutschland ansässig sind, äußerten sich auch mehrere Kronzeugen, darunter Heiko Tschinna, der Giuseppe F. und Cataldo M. als die Bosse der kalabrischen Mafia in Stuttgart bezeichnete, und der ehemalige Killer Giorgio Basile aus Corigliano, der über die deutsche Polizei sagte: „Die Polizei wollte uns nie glauben, aber die Deutschen müssen allmählich begreifen, dass überall dort, wo es eine Pizzeria gibt, die `ndrangheta anwesend ist.“

Anm. (1) Calabria.Gazzettadelsud.it (vom 7.1.19)

Anm. (2) Damals geriet mit Mario L. auch Günther Oettinger in den Focus der Ermittler

Anm. (3) Die „neue“ Form der Schutzgelderpressung besteht darin, Besitzer von Gastronomie-betrieben zu zwingen, ihre Produkte bei mafia-eigenen oder -nahen Firmen zu beziehen

Weitere Informationen siehe auch hier: SWRmediathek.de/ (ab 12.0, vom 10.1.19)

Mafianeindanke.de/Beschlagnahme/

Panorama/Mafia ist in Deutschland angekommen

Anm.:Für die inhaltliche Richtigkeit des Artikels übernehme ich keine Verantwortung.